Extreme Positionen, lautes Geschrei beim Kopftuchthema.

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Die Diskussionssendung "Im Zentrum" zum Kopftuchverbot, das die Regierung einführen will, war grässlich. Nicht, dass das Thema das Falsche gewesen wäre, nicht, dass sich der Moderator nicht redlich bemüht hätte.

Aber der Verlauf dieser Debatte konnte einen nur, je nach Temperament, entweder zornig oder depressiv machen. Ausgerechnet Johann Gudenus, Bewunderer von Macho-Machtpolitiker Putin, für den Frauen vor allem politisch willkommener Aufputz sind, gab den Verteidiger der Frauen- und Mädchenrechte. Weder Kopftuchträgerin und -befürworterin Hübsch noch die Autorin und Kopftuchgegnerin Zana Ramadani konnten ihm tatsächlich etwas entgegensetzen. Die beiden Frauen waren vor allem damit beschäftigt, übereinander herzufallen und alle Vorurteile, die es sowieso gibt – gegen die "Feministin" genauso wie gegen die "Kopftuchfrau" – zu bestätigen.

Dazwischen gaben Matthias Strolz (Neos) und Kenan Güngör (Soziologe) die Vermittler und versuchten Argumente einzubringen. Das zumeist vergeblich, die drei anderen weigerten sich beharrlich, ihre Kampfzonen zu verlassen. Weitergebracht hat uns diese Diskussion rein gar nicht.

Eingegraben

Es waren die altbekannten Argumente, mit denen sich jeder für sich eingrub. Hübsch wetterte gegen die westlichen Feministinnen, die allen anderen ihr Weltbild aufdrücken wollten; Ramadani gab die Schulmeisterin, kanzelte die andere ab ("Das ist Unsinn", "Also bitte, Frau Hübsch"), und Gudenus verbreitete sich über "Mädchenschutz" (während die Koalition, der er angehört, gleichzeitig die Integrationsmittel kürzt, was weitgehend unbesprochen blieb).

Wo, fragte man sich, bleiben in diesem Schwarz gegen Weiß, in dieser Diskussion der Extreme, eigentlich die Grautöne? In dem TV-Studio saßen ja durchwegs gebildete Menschen – wie können sie eine andere Sichtweise derart ausblenden und die Dinge zum Teil schon absurd vereinfachen?

Altmodisch

In den 1980er- und 1990er-Jahren, meiner Schul- und Studienzeit, brachten mir die Lehrenden, auf deren Meinung ich heute noch viel gebe, bei, dass es bei einer Diskussion nicht nur um die eigenen, brillanten Argumente gehe – sondern um gegenseitigen Respekt und die Bereitschaft, gegenteilige Argumente und Meinungen zuzulassen.

Diese altmodische Tugend scheint derzeit, vor allem bei emotional aufgeladenen Themen wie dem Kopftuch, nicht nur nicht mehr zu gelten, offenbar beherrschen sie politische Akteure und meinungsstarke Expertinnen und Experten gar nicht mehr. Das Ergebnis ist eine Grundgereiztheit aller im Umgangston, schon auf den bloßen Verdacht hinauf, man könnte es mit politisch Andersdenkenden zu tun haben.

Zu viel Lärm

Die Akteure übertreffen einander in noch extremeren, noch krasseren Argumenten: Der FPÖ etwa reicht nicht, dass ihr erster Vorschlag, ein Verbot in Kindergärten und Volksschulen, auch dort auf positives Echo stieß, wo dies nicht zu erwarten war (Lehrerinnen, Direktorinnen, STANDARD-Kommentatoren), sie musste noch eins drauflegen und will ein Verbot auch an Unis und überhaupt überall.

Die andere Seite sieht sich umgeben von Rassisten, von einer rechten Meinungshegemonie der Mehrheitsgesellschaft, die nur darauf abziele, Migranten, vor allem jene muslimischen Glaubens, zu unterdrücken.

Weder ist die eine, die FPÖ-Sichtweise, akzeptabel – noch hat die andere Seite recht. Es ist dringend notwendig, in aller Vielschichtigkeit das alles endlich einmal sachlich zu diskutieren. Das Problem ist nur: Wenn alle nur immer noch lauter schreien, versteht man am Ende nicht nur den anderen nicht, sondern auch die eigenen Worte nicht mehr. Die nächste Eskalationsstufe wäre dann physische Gewalt, die keiner will. Zumindest darüber besteht hoffentlich Konsens. Insofern: Kann man das bitte alles einmal normal diskutieren? In normalem Tonfall und normaler Lautstärke? Bitte. Danke. (Petra Stuiber, 12.4.2018)