Das Richtergremium, das die "Weltmeisterschaft im Schreiben" (Martin Walser) entscheidet, wird seit Tagen von Skandalen erschüttert, die sich als existenzbedrohend erweisen.

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Wien – Die Schwedische Akademie, die den Literaturnobelpreis vergibt, ist nicht unbedingt eine Institution, die auf Transparenz übermäßig Wert legen würde. Die 18 Damen und Herren des Gremiums, das hinter verschlossenen Türen über die allherbstlich vergebene populärste Poeten-Prämie des Planeten (neun Millionen Kronen, ca. 875.000 Euro) entscheidet, sind nicht nur für ihre wortkarge Geheimniskrämerei und absonderlichen Entscheidungen berühmt, sondern auch für ihre Streitereien. 1989 zog sich Kerstin Ekman aus Protest gegen das Schweigen der Akademie zur Fatwa gegen Salman Rushdie aus der Jury zurück, 2015 wollte auch Lotta Lotass nicht mehr mittun. Sie konnte dem abgehobenen Milieu der Akademie nichts abgewinnen.

Unerwünschte Intimitäten

Obwohl "Die Achtzehn" auf Lebenszeit gewählt sind und nicht ersetzt werden können, geruhte man in Stockholm, Derartiges nicht an die große Glocke zu hängen. Nun aber wird das Richtergremium, das die "Weltmeisterschaft im Schreiben" (Martin Walser) entscheidet, seit Tagen von Skandalen erschüttert, die sich als existenzbedrohend erweisen.

Angefangen hat alles vergangenen November, als 18 Frauen in der Zeitung Dagens Nyheter eine "bekannte Kulturpersönlichkeit" aus dem Umkreis der Akademie sexueller Übergriffe bezichtigten. "Mitglieder, Töchter, Ehefrauen von Mitgliedern und Personal der Kanzlei" waren "unerwünschten Intimitäten" ausgesetzt, bestätigte Akademie-Vorsitzende Sara Danius. Bei dem Beschuldigten handelt es sich um Jean-Claude Arnault, der mit Katarina Frostenson verheiratet ist, die seit 1992 in der Akademie sitzt – und als deren Mitglied das Kulturforum Arnaults bezuschusste. Der seit letzter Woche vorliegende, in Teilen veröffentlichte Bericht einer von Danius beauftragten Anwaltskanzlei empfiehlt, gegen Arnault Strafanzeige zu erstatten.

Zudem stellte sich heraus, dass Arnault, offenbar ein Plappermäulchen vor dem Herrn, jungen Frauen vorab die Namen von Nobelpreisträgern verraten haben soll. In der Akademie scheiterte ein Antrag auf Ausschluss Frostensons, drei Akademiemitglieder traten daraufhin zurück, die Akademie verfügt nun noch über 13 Mitglieder. Sollten es weniger werden, ist das Gremium nicht beschlussfähig und kann keine neuen Mitglieder wählen, den Preis könnte es per Mehrheitsentscheid vergeben. Noch.

Denn längst wird der Streit unter den Nobelpreisjuroren, die einem absoluten Schweigegebot über Interna unterliegen, öffentlich ausgetragen. Und Danius musste beim schwedischen König, dem "hohen Beschützer" der Akademie, vorsprechen. Er hat ihr gesagt, was sie selbst schon weiß: So geht es nicht weiter. (Stefan Gmünder, 12.4.2018)