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Hinter der unklaren Strategie von US-Präsident Donald Trump in der Syrien-Krise vermuten viele schlichte Ratlosigkeit.

Foto: AP/Susan Walsh

Ein neuer Tag, ein neuer Tweet. Hatte Donald Trump noch am Mittwoch einen Raketenschlag gegen Syrien signalisiert und zugleich Bashar al-Assads Schutzpatron Russland gedroht, so machte er tags darauf einen Rückzieher – allerdings nur einen halben. Er habe nie gesagt, wann es zu einem Angriff kommen würde, schrieb er am Donnerstagmorgen. "Es könnte bald sein oder überhaupt nicht so bald!"

Trumps Tweet war der Versuch, zurückzukehren zu einer Taktik, mit der sich der US-Präsident, so sieht er es jedenfalls selbst, von seinen Vorgängern im Weißen Haus unterscheiden will. Sollte er eine Militäraktion anordnen, werde er das nicht vorher telegrafieren, hatte er immer wieder erklärt. Etwa im August 2013, als Barack Obama nach einem Chemiewaffenangriff in der Nähe von Damaskus eine Raketenattacke ankündigte, um sie später wieder abzublasen. Er würde nicht intervenieren, kommentierte der damalige Bauunternehmer, und falls doch, "dann würde ich es nicht wie ein Narr in den Medien hinausposaunen". Trump, der selbsternannte Meister des Überraschungseffekts.

Der US-Präsident habe noch nicht endgültig entschieden, teilte jedenfalls seine Sprecherin Sarah Sanders in Washington mit. Die US-Regierung werte weiter die Geheimdiensterkenntnisse aus und führe Gespräche mit ihren Verbündeten.

Viele Volten

So gesehen wirkte es geradezu peinlich, wie er im Laufe von knapp zwei Wochen eine Wende nach der anderen vollzog. Es begann damit, dass er auf einer Kundgebung in Ohio ankündigte, das eher symbolische US-Kontingent aus Nordsyrien abzuziehen, und zwar "sehr bald", weil nun "andere Leute" gefragt seien. Ursprünglich, berichtet die Washington Post, wollte Trump die Soldaten binnen zwei Tagen nach Hause beordern.

Sein Verteidigungsminister James Mattis soll ihn schließlich davon überzeugt haben, dass man noch ungefähr sechs Monate brauche, um die Fanatiker des "Islamischen Staats" endgültig zu besiegen. Dem offenbar spontan beschlossenen Rückzugsplan folgte, nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Douma, die Ankündigung eines Militärschlags innerhalb von 24, höchstens 48 Stunden. Und danach die Drohung an Russland, die manche Parallelen zur Kuba-Krise des Jahres 1962 ziehen lässt. Wladimir Putin, den Trump lange nur mit Samthandschuhen angefasst hatte, war auf einmal der Antipode, das Verhältnis zu Russland "schlechter, als es je war". Dann wieder folgte die Relativierung. Zu erleben ist ein Präsident, der sich von täglich neuen Impulsen steuern lässt.

Es sind nicht nur die Tweets, mehr noch ist es der Eindruck, dass hinter der Sprunghaftigkeit ein gedankliches Vakuum steckt, das Fehlen einer auch nur halbwegs geordneten Strategie. Hat Trump, wie im vergangenen April, eine Art Strafaktion mit Marschflugkörpern im Auge? Oder setzt er auch Flugzeuge ein (was das Risiko einer Kollision mit Russland deutlich erhöhen würde)? Geht es ihm um die Demonstration militärischer Stärke? Oder ist er nun doch bereit, auf lange Sicht in Syrien Flagge zu zeigen?

Suche nach Partnern

Als Trump vor einem Jahr 59 Cruise Missiles auf eine syrische Luftwaffenbasis abfeuern ließ, handelte er im burschikosen Alleingang. Diesmal zimmert er an einem Bündnis mit den westlichen Alliierten, zumindest mit Großbritannien und Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron neuerdings von Beweisen für eine Chlorgasattacke syrischer Regierungstruppen auf Douma spricht.

Frankreich will eine mögliche Entscheidung über Militärschläge allerdings geheim halten. "Falls die Schläge beschlossen werden, werde ich es Ihnen nicht sagen", sagte der Chef der Präsidentenpartei La Republique en Marche, Christophe Castaner, am Freitag. "Und der Präsident wird es Ihnen nicht sagen." Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel erklärte am Donnerstag, dass sich Berlin nicht an einem möglichen Militäreinsatz in Syrien beteiligen werde. Außenminister Heiko Mass sagte am Freitag allerdings, der mutmaßliche Giftgasangriff in Douma könne "nicht ohne Konsequenzen bleiben".

In der Nacht auf Freitag telefonierte Trump dann mit der britischen Premierministerin Theresa May. In einer Mitteilung der Downing Street hieß es, Trump und May seien sich einig, dass der Einsatz von Chemiewaffen durch das syrische Militär "nicht unbeantwortet" bleiben könne und dass ein weiterer Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime verhindert werden müsse. In Syrien selbst wurden zahlreiche staatliche und militärische Einrichtungen in Alarmbereitschaft versetzt. Auf Antrag Russlands wird am Freitag der UN-Sicherheitsrat in New York zusammentreten, das Treffen ist für 16 Uhr (MESZ) angesetzt.

Erwachsene Ratgeber

Dass Washington Partner ins Boot holen will, lässt die Handschrift politisch erwachsener Ratgeber, allen voran die von Mattis, erkennen. Das Warten auf die Europäer mag allein schon die Verzögerung erklären. Es wäre eine Sache vertraulicher Diplomatie und stillen Nachjustierens, könnte sich Trump in seinem egomanischen Mitteilungsdrang bremsen.

"Nach der massiven Warnung wird Trump nicht mehr hinter seine Drohungen zurückkönnen", attestiert etwa John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland, und rechnet mit einem Militärschlag "in der ein oder anderen Form". In Deutschland selbst hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Teilnahme an einem Militärschlag ausgeschlossen – ein Schritt, für den sie sowohl Lob als auch Kritik bekam.

Madeleine Albright, einst Außenministerin im Kabinett Bill Clintons, zieht unterdessen Parallelen zum Jahr 1999, zur Intervention im Kosovo. In den Vereinten Nationen sei man nicht vorangekommen, da Moskau sein Veto einlegte, ergo habe man sich an die Nato-Partner gewandt, skizziert sie die Ausgangslage. Heute biete sich ein ganz ähnliches Bild: das russische Veto im UN-Sicherheitsrat, das Zusammengehen mit London und Paris. Nur brauche man neben klaren Zielen Fingerspitzengefühl und Ausdauer, um erfolgreich zu sein, sagte Albright dem Radiosender NPR. (Frank Herrmann aus Washington, red, 12.4.2018)