In der Villa Verdin knarzt die Holzstiege für alle, die das wollen. Dank der Millstätter Nachbarschaft sind die alten Mauern verpachtet und öffentlich zugänglich.

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Eine Villa am See zu haben hat seinen Reiz. In Millstatt am Millstätter See ist das Ortsbild von einem regelrechten Villenbauboom aus der Zeit um die Jahrhundertwende geprägt. Wohlhabende Wiener und Grazer Familien ließen sich damals in dem Luftkurort nieder, angelockt von Sommerfrische und der damals gerade neu eröffneten Südbahn.

Zahlreiche Baujuwele

Ein idealer Ort, um heute nach Immobilien zu suchen, die sich zu Apartmenthäusern und Zweitwohnsitzen umbauen lassen. Manch historisches Millstätter Baujuwel ist schon jetzt kaum wiederzuerkennen.

Doch eine alte Institution verhindert Schlimmeres: Die Nachbarschaft Millstatt schaut darauf, dass alte Villen erhalten und belebt werden.

Bei der Nachbarschaft handelt es sich eigentlich um eine Agrargemeinschaft, wie es unzählige im Land gibt, diese aber weist eine Besonderheit auf: Nur ein Mitglied ist tatsächlich Landwirt, alle anderen sind alteingesessene Millstätter mit Stammsitzliegenschaften, sie alle kommen aus dem Fremdenverkehr und wollen den Charakter des Ortsbildes erhalten.

Ideen für alte Häuser

Die über 200 Jahre alte Gemeinschaft stammt aus einer Zeit, als öffentlich zugängliche Flächen am Wasser wichtig waren, weil Steine oder Bauholz besser per Boot zu transportieren waren.

"Der Wert der Villen im materiellen Sinn interessiert uns nicht, wir wollen das Vermögen für die Allgemeinheit erhalten. Wir haben keine Schulden, sind keiner Bank verpflichtet", freut sich Obmann Ulrich Sichrowsky, der seit Jahrzehnten Mitglied ist und dessen Familie das traditionsreiche Hotel Post im Ort gehört. Ungerührt vom potenziellen Wert der Seegrundstücke entwickelt er gemeinsam mit den Bürgern Ideen für die alten Häuser.

Eines davon ist die mittlerweile über die Grenzen hinaus bekannte Villa Verdin, die zwischendurch Hubertusschlössl hieß. Frau von Verdin, eine Adelige mit Wiener Hintergrund, verkaufte das Haus, das im Krieg von den Alliierten besetzt worden war, im Jahr 1952 zu einem geringen Preis der Nachbarschaft. So entgingen 6000 Quadratmeter Seegrund mit 120 Meter Seeuferlänge dem Schicksal, in falsche Hände zu geraten.

Erlös fließt in Sanierungen

Das Konzept ist aufgegangen: Die Nachbarschaft verpachtet die Villa um einen tolerierbaren Betrag, die Pächter sorgen dafür, dass nachhaltig Leben ins Gemäuer kommt. Geld, das durch Vermietungen an die Gemeinde oder an Privatpersonen, etwa kleiner Badeplätze entlang der Straße, hereinkommt, steckt die Agrargemeinschaft wieder in die alten Gebäude: "Einen großen Brocken der Renovierung von Dach, Fassade und Heizung hat die Nachbarschaft übernommen, einen Teil wir selbst", so Thomas Helml, der die Villa Verdin gemeinsam mit Gianni Mangini seit 16 Jahren betreibt.

Auf ihre spezielle Art machen sie vor, wie man mit der richtigen Initiative verhindern kann, Grund in Seelage auszuverkaufen. Denn Angebote für die Villa hätte es mehrmals gegeben – sowohl von Privatpersonen als auch von Immobilienmaklern.

Erfolgreiches Nichtkonzept

Wenn Helml heute darüber nachdenkt, war es "recht mutig", ihnen die Villa zu überlassen, weil man sie nicht so gut kannte. Aber im Ort sei – wie auch anderswo – einiges schiefgelaufen: "Geschäfte im Zentrum stehen leer, die Schule hat vor kurzem zugesperrt. Wir haben uns mit der Villa eine Alternative überlegt."

Einen Teil der Nebengebäude nutzen die findigen Betreiber seit kurzem als Kaffeerösterei. Konkrete Pläne habe man anfangs zwar nicht gehabt, aber genau dieses Nichtkonzept scheint besonders bei jenen gut anzukommen, die sonst eher in luxuriösen Hotels absteigen. Der deutsche Regisseur Oliver Hirschbiegel hat hier geheiratet, und Musiker Xavier Naidoo schätzt es, dass ihn hier niemand nach Autogrammen fragt.

Dass für den Wohlfühlfaktor nichts perfekt sein muss, wird klar, wenn man über die knarzige Holztreppe hinaufsteigt und in die Zimmer schaut, wo man es mit gerade hängenden Bildern oder zurechtgezupften Couchüberwürfen nicht so genau nimmt.

Gäste statt Zweitwohnsitzer

"Dank der erhaltenen Villen kommen Gäste nach Millstatt, die sonst eher nicht kommen würden, eine urbane Klientel, die sich am Alten erfreut", so Sichrowsky. Auch die Spittaler Architektin Sonja Hohengasser, die an der FH Kärnten unterrichtet, schätzt es, dass die alten Häuser nicht an Immobilienfirmen verkauft und zu Zweitwohnsitzen umgebaut werden: "Mit sanften Eingriffen oder durch neue Nutzungen könnte man die Villen in ihrem derzeitigen Erscheinungsbild erhalten, für die Bevölkerung öffnen und auch mehr Gäste ansprechen."

Eine ihrer Diplomandinnen beschäftigt sich gerade mit der unter Denkmalschutz stehenden Villa Streintz, die ebenfalls in bester Lage am See liegt. Durch die räumliche Umstrukturierung und die sensible Erweiterung um ein Lokal und die barrierefreie Erschließung soll die öffentliche Nutzung des Hauses optimiert werden.

Die Villa wurde nach dem Tod der Vorbesitzerin Frau Pelleter, der Ururenkelin des Bauherrn, an die Nachbarschaft übergeben und wird derzeit als Pension geführt. Die alte Dame habe sie, trotz vorhandener Erben, der Nachbarschaft vermacht, damit sie nicht verkauft wird, so Sichrowsky.

Gemeinsame Vermarktung

Hohengasser fände eine gemeinsame Vermarktung der erhaltenen Villen sinnvoll. So könnten sich die Betreiber zusammenschließen, Kräfte bündeln und den Fremdenverkehrsort bereichern. Einige sind noch in Familienbesitz oder werden touristisch genutzt, wie etwa das Parkschlössl, das als Frühstückspension geführt wird, oder die Villa Waldheim.

Die Sauna und die Strandbar sind die bisher markantesten baulichen Eingriffe in der Villa Verdin. Innen wurde die dunkle Holzvertäfelung erhalten, die "mäßig witzige Einrichtung aus den 80ern" umgestaltet.

Weil das alte Gemäuer schwer beheizbar ist, war die Einleitung von Fernwärme essenziell für eine fast ganzjährige Nutzung. "Die Pächter hier sollen langfristig auf die alte Substanz schauen und daher auch davon leben können", so Nachbarschaftsobmann Sichrowsky. Allerdings, so Helml, der in der Nebensaison gerne mehr Gäste hätte: "Man muss es gerne machen. Reich wird man damit nicht." (Marietta Adenberger, 14.4.2018)