Wenn ich die Personen um mich herum genauer betrachte, die diesen Monat wie ich auf Bali arbeiten, stelle ich schnell fest: Weder ihre Persönlichkeiten, noch die Branchen, in denen sie tätig sind oder ihre Anreize und Ziele sind miteinander vergleichbar. Und dennoch leben wir im Moment Tür an Tür, arbeiten Tisch an Tisch und haben Gemeinsamkeiten in unserem Dasein als digitale Nomaden.

Um ein lebendiges und authentisches Bild der verschiedenen Charaktere zeichnen zu können, habe ich mit einigen meiner neuen Kollegen gesprochen und versucht, in offenen und ehrlichen Gesprächen mehr über ihre Motivation, Probleme und Pläne zu erfahren. 

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Verzweifelt auf der Suche nach gutem Wein auf Bali: Monica aus Puerto Rico, 43 Jahre alt.
Foto: Alexandra Eder

Nach der Hurrikan-Katastrophe im Herbst letzten Jahres, die in Puerto Rico folgenschwere Schäden anrichtete, entschied sich Monica dazu, einen klaren Schnitt zu machen und für ein halbes Jahr im Ausland zu arbeiten. Sie ist als Corporate Account Sales Managerin für ein Unternehmen tätig, das in Puerto Rico Wein importiert und vertreibt. Ihre Klientel sind insbesondere Weinkenner und -sammler.

Mit welchen Erwartungen bist du hierhergekommen? 

Monica: Nach den Hurrikans konnte ich einfach nicht mehr zuhause in Puerto Rico bleiben und wollte etwas komplett Neues, Unbekanntes kennenlernen – einen Schritt wagen und die Umgebung wechseln. Bali ist nach Kolumbien und Marokko bereits meine dritte "Unsettled"-Station in Folge, unterbrochen von einem Aufenthalt in Spanien.

Welchen Herausforderungen bist du beim Remote Working bisher begegnet?

Monica: Das Schwierigste ist für mich die Arbeit "gegen die Zeitzonen". In Kolumbien war es nur eine Stunde, das war perfekt und ich habe sehr viel arbeiten können. In Marokko waren es schon fünf Stunden, was die ganze Sache nicht leichter gemacht hat. Aber hier sind es zwölf Stunden Zeitunterschied, was wirklich herausfordernd ist. Ich kann nur sehr früh am Morgen oder spät in der Nacht arbeiten. Was meine Arbeit ausmacht, ist die persönliche Bindung und der Kontakt zu meinen Kunden – die Zeitverschiebung distanziert mich in gewisser Weise von ihnen, weil ich sonst immer sehr schnell auf ihre Anfragen reagieren kann. Jetzt schlafen sie, wenn ich munter bin und ich schlafe, wenn sie munter sind. Nichtsdestotrotz war es die richtige Entscheidung für mich und meine Kunden haben Gott sei Dank auch Verständnis dafür. Sie freuen sich aber schon darauf, wenn ich wieder zurückkomme.

Remote Working: Immer wieder oder nie wieder?

Monica: Ich könnte und werde das auf jeden Fall wieder machen. Aber zunächst muss ich erst einmal wieder für einige Zeit nach Puerto Rico. Insgesamt bin ich sechs Monate unterwegs, was in meinem Job eine sehr lange Zeit ist. Wenn ich zurückkomme, werde ich mich so schnell wie möglich bei meinen Kunden blicken lassen, um mein Versprechen zu halten und ihr Vertrauen nicht zu verlieren. Aber gegen Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres würde ich wirklich gerne von Kapstadt oder Peru aus arbeiten.

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Katya trägt immer ein Lächeln auf den Lippen – sie ist 42 Jahre alt und lebt auf Malta.
Foto: Alexandra Eder

Von einer Insel zur anderen ging es für Katya, die als Regional Sales Director Europe bei einem international renommierten Sprachinstitut auf Malta für das B2B-Geschäft in Europa verantwortlich ist. 

Mit welchen Erwartungen bist du hierhergekommen? 

Katya: Nach elf Jahren in meinem Job bin ich auf der Suche nach neuen Erfahrungen und Inspiration. Ich möchte in diesem Monat so viel wie möglich von Personen lernen, die in anderen Bereichen tätig sind, als ich es bin. Es geht mir aber nicht nur um den beruflichen Aspekt – darüber hinaus möchte ich Zeit mit Menschen aus aller Welt verbringen und nicht nur sie, sondern auch ihre Kultur und Mentalität kennenlernen.

Welchen Herausforderungen bist du beim Remote Working bisher begegnet? 

Katya: In meinem Beruf macht es keinen großen Unterschied, ob ich hier oder auf Malta bin. Auch dort arbeite ich regelmäßig an anderen Orten als dem Büro, da ich meinen Arbeitsplatz zwischendurch gerne auch einmal in mein Lieblingscafé verlege. Hinzu kommt, dass ich beruflich sowieso sehr viel unterwegs bin und oft in anderen Ländern arbeite. Darum halten sich die Herausforderungen bisher für mich in Grenzen.

Remote Working: Immer wieder oder nie wieder?

Katya: Ich werde das definitiv wieder machen – ich muss mich nur noch entscheiden, wo und wann. Ich bin hier immer viel schneller mit meiner Arbeit fertig! Ich arbeite effizienter, insbesondere weil ich nicht so häufig von Kollegen gestört werde. Abgesehen davon habe ich hier einfach eine großartige Zeit. Mir geht es vor allem um die Menschen, die ich hier treffe.

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Zusammen rund um die Welt: Anthony und Carina, 40 und 30 Jahre alt, aus Wales und den USA.
Foto: Alexandra Eder

Carina und Anthony sind Weltenbummler wie sie im Buche stehen – und genau an diesem Buch schreibt Carina derzeit. Nachdem aus ihren Plänen, Schauspielerin zu werden, nichts geworden ist, hat die junge Frau vor fünf Jahren all ihren Besitz verkauft und ist für einige Zeit alleine nach Indien gereist – wo sie am Strand in Goa ihren jetzigen Partner Anthony kennengelernt hat. Der Waliser arbeitet an seinem Businessplan für ein E-Commerce, das er nach der Reise starten will. Seit neun Monaten bereisen sie nun zusammen die Welt. 

Mit welchen Erwartungen seid ihr hierhergekommen? 

Carina: Wir sind jetzt schon so lange unterwegs und in so viele Länder gereist, dass es einfach Zeit für einen längeren Aufenthalt an einem Ort war. Darüber hinaus ist es wirklich schwierig, Kontakte zu knüpfen, wenn man als Pärchen reist. 
Anthony: Außerdem müssen wir uns auch mal auf das fokussieren, was passiert, wenn wir aufhören zu reisen. Und wir denken, dass hier ein guter Ort für all das ist.

Welchen Herausforderungen seid ihr beim Remote Working bisher begegnet?

Carina: Ich war schon sehr, sehr oft auf der Suche nach stabilem Internet. Momentan ist keiner von uns fest angestellt oder muss sich um sein Unternehmen kümmern. Da wir aber etwas erreichen wollen, ist es wichtig, eine hohe Eigenmotivation zu haben und sich einen Zeitplan zurechtzulegen.
Anthony: Stimmt, die Motivation ist das Wichtigste! Denn im Ernst: Seit wir hier sind habe ich noch nicht so intensiv an meinem Businessplan gearbeitet. (lacht)

Remote Working: Immer wieder oder nie wieder?

Anthony: Ich habe das eigentlich schon die letzten fünf Jahre gemacht, also zumindest von zuhause aus gearbeitet. Aus meiner Vergangenheit weiß ich, dass ich dazu neige, dann wirklich sehr viel zu arbeiten. Ich war für ein internationales Unternehmen tätig und habe teilweise von acht Uhr morgens bis Mitternacht gearbeitet – also einen britischen Arbeitstag am Vormittag und einen amerikanischen Arbeitstag am Nachmittag. Auf solche Dinge muss man schon achten. Aber um zu uns zurückzukommen: Es war unser Plan, etwas zu finden, was wir von überall auf der Welt machen können, deshalb werden wir sicher so weitermachen.
Carina: Das ist sehr wichtig für uns: Wir wollen örtlich flexibel sein und nicht durch unsere Jobs am Reisen gehindert werden. Wir wollen so gut es geht wählen können, wo wir leben. 

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Stephanie ist 29 Jahre alt – die Kanadierin arbeitet auf Bali in erster Linie an ihrem Blog.
Foto: Alexandra Eder

Seit einigen Jahren lebt Stephanie ausschließlich vegan und will nun ihre private Überzeugung auch unternehmerisch umsetzen und einen Online-Shop für vegane und tierversuchsfreie Artikel starten. Hier auf Bali arbeitet sie an ihrem Blog, bevor sie zurück in Vancouver ihre Pläne, sich selbstständig zu machen, in die Realität umsetzen wird.

Mit welchen Erwartungen bist du hierhergekommen? 

Stephanie: Mir ging es darum, meine Komfortzone zu verlassen. Mir gefällt die Möglichkeit, mit Menschen aus allen möglichen Bereichen und Ländern in Verbindung zu kommen. Außerdem hoffe ich, hier auch einige neue Ideen für mein eigenes Start-Up aufschnappen zu können und mich mit Personen zu unterhalten, die bereits ein Unternehmen gegründet haben oder in der gleichen Situation sind wie ich. Reisen, Abenteuer und das Gefühl des Nomadendaseins kommen natürlich noch dazu. 

Welchen Herausforderungen bist du beim Remote Working bisher begegnet?

Stephanie: Mein Fokus liegt darauf, Ideen zu sammeln und zu ordnen und dafür Zeit und Raum zu schaffen. Es ist aber wirklich schwer, nein zu sagen, denn auf Bali gibt es einfach so viel zu sehen und zu entdecken. Da ich mein Unternehmen noch nicht gegründet habe, ist der Druck etwas geringer, als vielleicht bei manchen anderen. 

Remote Working: Immer wieder oder nie wieder?

Stephanie: Auf jeden Fall immer wieder. Es liegt mir einfach, ich fühle mich ausgewogener als zuhause in einem herkömmlichen Büro. Ich denke es hilft mir, Inspiration und Balance in meiner Arbeit zu finden.

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Souvenirs der anderen Art

Was für mich bereits nach den ersten zwei Wochen hier feststeht, ist, dass ich großartige Gespräche mit herzlichen und wirklich spannenden Persönlichkeiten aus Bali mit nach Hause nehmen werde. Der intensive Austausch mit Menschen aus aller Welt ist eine Erfahrung, die man in seinem Alltag eher selten machen kann. Solche Kontakte zu knüpfen, ist Gold wert – egal ob in beruflicher oder persönlicher Hinsicht. (Alexandra Eder, 21.4.2018)

Weitere Beiträge der Bloggerin

Hinweis: Die Bloggerin wurde nach einer Bewerbungsphase auf Einladung von DER STANDARD in den Coworking-Retreat geschickt. Sie berichtet zweimal pro Woche über ihre Erfahrungen, ihre persönlichen Eindrücke, das Leben von digitalen Nomaden und das Arbeiten in einem Schwellenland. Die Aktion wird in Zusammenarbeit mit der Firma Unsettled durchgeführt. Die inhaltliche Verantwortung liegt zur Gänze beim STANDARD.