Salmonellen mit angefärbtem Fortbewegungsorganell: Jede Farbe markiert ein Wachstumsintervall von 30 Minuten.

Foto: Marc Erhardt

Berlin – Bakterien können sich zu Nahrungsquellen hin und von Schadstoffen weg bewegen. Im Fachjargon wird dieser "Motor" als Flagellum bezeichnet. "Dieses komplexe Fortbewegungsorganell ist aus mehreren tausend einzelnen Untereinheiten aufgebaut, die sich sinnvoll zusammenfügen müssen", erklärt Marc Erhardt von der Humboldt-Universität Berlin.

Flagellen spielen auch für Krankheitserreger eine Rolle: Mit ihrer Hilfe erreichen sie den Infektionsort, besiedeln den Wirt auf und bilden stabile Biofilme. Marc Erhardt und sein Forscherteam haben nun mit genetischen, biochemischen und mikroskopischen Methoden das Bakterium Salmonella enterica, das lebensgefährliche Lebensmittelvergiftungen verursachen kann, untersucht.

Das Ergebnis: Salmonellen bewegen sich mit Hilfe von Flagellen zu den Darmzellen und spritzen mit einer Art Injektionssystem Giftstoffe hinein. Dieses Injektionssystem benutzt eine ähnliche Proteinpumpe für den Aufbau wie das Flagellum: das Typ-III-Sekretionssystem.

Injektionssystem von Bakterien

Bereits aus früheren Untersuchungen ist bekannt, welche Energiequelle dieses Sekretionssystem verwendet. Den Anfang bildet ein Protein-Anker in der Membran, der anschließend wie eine Pumpe die weiteren Bausteine aus der Zelle schleust. Diese Flagellin-Bausteine sortieren sich zu einer langen Kette, dem Flagellum. Diese Flagellen können bis zu zehnmal länger als die Bakterienzelle sein.

Mit Fluoreszenz-Farbstoffen konnten die Wissenschafter der Humboldt-Universität den Aufbau in Zeitabschnitten markieren. "Die Flagellen wachsen mit der Zeit langsamer", sagt Studienleiter Erhardt, "weil die Bausteine bis zum Ende einen immer längeren Weg zurücklegen müssen". Das dürfte deshalb auch relevant sein, weil dieser Prozess auch für die Injektionssysteme von Krankheitserregern gelten dürften, mit denen Bakterien Giftstoffe in Zellen befördern. Das Fazit der Forscher: Diese "Spritzen" haben sich aus den Flagellensystemen entwickelt.

Die Forscher konnten nun die Aufgaben zweier beteiligter Proteine identifizieren: "FliP baut die Pore auf, und FliO ist der Organisator, der dafür sorgt, dass sich die Porenproteine korrekt aneinanderlagern", erklärt Erhardt. Damit sind sie mögliche Ansatzpunkte für Medikamente: "Ein Wirkstoff, der die Porenbildung verhindert, wäre gleich ein doppelter Erfolg: Er würde Bakterien treffen, die Flagellen ausbilden, und auch solche, die molekulare Spritzen einsetzen", resümiert Marc Erhardt. (red, 16.4.2018)