Gentlemen dürfen auch einmal Hilfe annehmen. Aber nur, wenn sie dabei auch so souverän bleiben wie der Kollege auf dem Motorrad und die Uhr zum Outfit passt – findet man zumindest bei Chopard.

Foto: Chopard

Kein Fashion-Victim: Karl-Friedrich Scheufele, Jahrgang 1958, setzt auf konservativen Schick.

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L.U.C Full Strike: Die erste Uhr aus dem Hause Chopard mit einer Minutenrepetition. Sie schlägt die Stunden, Viertelstunden und Minuten mit Tonfedern aus Saphir. Kaliber 08.01-L (Handaufzug), 42,5 Millimeter Durchmesser, limitiert auf 20 Stück.

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Dandy oder Gentleman? Diese Frage stellt sich für Karl-Friedrich Scheufele erst gar nicht. Als Co-Präsident des Uhren- und Schmuckherstellers Chopard hat der gebürtige Deutsche ganz klare Präferenzen, was Stil betrifft: das genaue Gegenteil von laut. "Guter Stil ist nicht aufdringlich, er ist natürlich", meint der 60-Jährige im Standard-Gespräch. Er selbst verfolge seinen eigenen, vom Zeitgeist weitgehend unabhängigen Stil. "Ich bin kein Fashion-Victim." Man werde ihn, witzelt er, sicher niemals mit einem Jogginganzug in der Öffentlichkeit sehen.

Es stört ihn daher auch nicht, dass man ihm, der das Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Caroline leitet, die konservativ-elegante Seite der Luxusmarke zuschreibt. Auch dass man ihm eine gewisse Beharrlichkeit nachsagt, scheint ihn eher zu amüsieren. Vielleicht, weil es wahr ist. So setzte er das Unterfangen, aus Chopard eine Uhrenmanufaktur zu machen, gegen allerlei Widrigkeiten durch. Denn um als "echte" Manufaktur anerkannt zu werden, muss eine Uhrenmarke mindestens ein hauseigenes Mechanikkaliber anbieten können, doch trotz jahrzehntelanger Erfahrung hatte Chopard in dieser Hinsicht schlichtweg passen müssen.

Äußerst kompliziert

Mitte der 1990er-Jahre hatte KFS, wie ihn seine Entourage nennt, daher eine Idee: die Wiederbelebung des uhrmacherischen Erbguts von Markengründer Louis-Ulysse Chopard und die Wiederanknüpfung an die uhrmacherische Legitimität der Marke, die die Pforzheimer Familie Scheufele 1963 übernahm. Er begann mit dem Aufbau der Manufaktur in Fleurier im Val de Travers, eine (der vielen) Wiege(n) der Schweizer Uhrmacherei. Dieses ehrgeizige Unterfangen – "wir starteten mit einem weißen Blatt Papier" – erwies sich zunächst als äußerst kompliziert. Rückschläge gab es einige, gibt KFS ohne Umschweife zu. Aber er blieb dran – Stichwort Beharrlichkeit – und konnte 1996 das erste eigene Automatikwerk präsentieren. Dem bis dato viele weitere folgten.

Warum hat er sich das angetan? Man könnte doch einfach weiterhin Uhrwerke fix fertig einkaufen, einschalen, Logo drauf, erledigt. "Wir wollten etwas für Männer machen", kommt zur Antwort. "Ich habe festgestellt, dass man über das Uhrwerk die Männerwelt begeistern kann." Denn für die Herren hatte Chopard bis zu diesem Zeitpunkt kaum etwas im Angebot – vielleicht abgesehen von den Uhreneditionen für die Oldtimerrallye Mille Miglia, die von dem Unternehmen seit 1988 maßgeblich begleitet wird. Der Chef fährt selbst noch jedes Jahr bei der großen Oldtimersause mit.

Die Uhr als Schmuckstück

"Egal ob eine Uhr 50 oder 5000 Euro kostet, Männer registrieren die Uhren anderer Männer, gerade so wie Frauen sich die Schuhe anderer Frauen ansehen", schreibt Jeremy Langmead im "Guardian". "Das liegt in unserer Natur." Nachsatz: "Und die Uhrenindustrie ist froh darüber."

Der spielt auch die Tatsache in die Hände, dass nach wie vor gilt: Das einzige legitime Schmuckstück eines Mannes ist die Armbanduhr (und vielleicht gerade noch der Ehering). Armreifen wirken eher fragwürdig, Goldkettchen sind uncool, ein fetter Siegelring macht's auch nicht besser. Was liegt also für einen Schmuckhersteller näher, als eine eigene Herrenuhrenlinie aufzuziehen? Ein Mann könne heute nur mit zwei Dingen angeben: seinem Auto und seiner Uhr, meint Langmead. Wobei Ersteres öfters den Kürzeren zieht, denn – Klimadebatte hin oder her – es hat einen ganz entscheidenden Nachteil: Es steht die meiste Zeit nur herum.

Analoge Reliquien

Davon kann auch Scheufele ein Lied singen. Verfügt er doch über eine stattliche Oldtimersammlung, obwohl er über die genaue Anzahl an Autos in seiner Garage schweigt. Oder diese nicht an die große Glocke hängen will: "Die weiß nicht einmal meine Frau", sagt der Vater zweier Kinder mit einem Augenzwinkern. Jedenfalls fehlt es ihm – ausgerechnet – an Zeit, um sich mehr mit seinem Fuhrpark zu beschäftigen. Das mag auch daran liegen, dass er seit 2012 stolzer Besitzer eines arbeitsintensiven, biodynamisch betriebenen Weinguts in Bergerac ist, Schloss inklusive.

Einen Zeitmesser dagegen kann man immer und überall mit hinnehmen. "Man kann die Uhr auch als moderne Reliquie bezeichnen", sinniert Scheufele. Sie sei ein Gegenpol zur Elektronik, die uns heute schon in jeder Lebenslage verfolge. Zu fragen, was er von der Smartwatch hält, erübrigt sich an dieser Stelle fast. Die Smartwatch sei ein Produkt der Elektronikindustrie geworden, sagte er in einem Interview. Sie folge den Gesetzen dieser Branche und könne mit einem echten Zeitmesser nicht mithalten. Er hält fest: "So lange ich bei Chopard das Sagen habe, wird es bei uns keine Smartwatch geben." Darf ein Gentleman also keine elektronischen Spielereien sein Eigen nennen? "Doch, doch", räumt KFS ein. "Aber ein echter Gentleman hat auch ein natürliches Verständnis für wahre Qualität und echte Handwerkskunst." Nimm das, Apple. (Markus Böhm, RONDO, 1.7.2018)