Die Hausärzte erhalten zu wenig Wertschätzung, sagte Naghme Kamaleyan-Schmied, Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer und Allgemeinmedizinerin.

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Seitenstetten – Von "wohnortnaher Versorgung" sprechen derzeit viele Verantwortliche im Gesundheitswesen. Was darunter zu verstehen ist, sehen die einzelnen "Player" im System aber völlig unterschiedlich, wie sich am Mittwochabend bei einer Podiumsdiskussion des Gesundheitsforums "Prävenire" im niederösterreichischen Seitenstetten zeigte.

"Zur wohnortnahen Versorgung gehören vier Säulen, die zusammengehören: örtliche und zeitliche Erreichbarkeit, umfassendes Angebot an Primärversorgung und schließlich die Säule der Qualität", sagte der NÖ-Patientenanwalt Gerald Bachinger.

Michael Gnant, Chef der Chirurgischen Universitätsklinik der Med-Uni Wien am AKH, sieht das anders: "Ich bin Zentrumsmediziner. Ich bin für Wahrhaftigkeit. Man muss den Menschen die Wahrheit sagen. Wenn ich einen Liter Milch benötige und von hier nach Wien fahre, ist das falsch. Aber wenn ich für eine schöne Gartengarnitur 50 Kilometer weit fahre, ist das normal. Warum verhalten wir uns als Menschen im Gesundheitswesen anders als bei Gartentischen", sagte der Chirurg. Was man für Qualität im Gesundheitswesen benötige: "Erfahrung und eine hohe Fallzahl." Man sollte endlich ehrlich über die Steuerung von Patientenströmen nachdenken und das auch sagen.

Mangelnder Nachwuchs

Naghme Kamaleyan-Schmied, Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer und Allgemeinmedizinerin, betonte die mangelnde Wertschätzung für die Hausärzte, die jetzt eben mit einer Ausdünnung des Versorgungsnetzes durch mangelnden Nachwuchs verbunden sei: "Es liegt am Ende des Tages daran, dass man jahrelang die niedergelassenen Ärzte mit Füßen getreten hat." Wenn aber ein Kind plötzlich Fieber hat, sei plötzlich die wohnortnahe Versorgung gefragt. Dabei stelle das Gesundheitssystem weder die Honorare noch die technische Ausrüstung für eine umfassende Versorgung zur Verfügung.

Barbara Krippl vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger betonte, es müsse in der Primärversorgung "Etwas von Allem" geben: Wo es passt eben Hausarzt-Praxen, Ärztenetzwerke und/oder Primärversorgungseinheiten. "Es ist so, dass junge Leute viel mehr Team-orientiert arbeiten wollen." Alfred Riedl, Präsident des Gemeindebundes verwies auf die Verantwortung der politischen Entscheidungsträger: "Die wohnortnahe Versorgung im niedergelassenen Bereich ist schon gar nicht lokal verantwortbar. Das ist ein Systemversagen." Unter dem Titel der Ärzteknappheit würden den Gemeinden in Österreich derzeit Mehrleistungen aufgebürdet. (APA, 19.4.2018)