Die traumhafte Natur Balis leidet unter dem immensen Besucheranstieg und dem damit verbundenen Müllaufkommen der letzten 30 bis 40 Jahre – und einer Regierung, die dessen nicht Herr wird. Anfang März diesen Jahres hat ein Tauchvideo des Briten Rich Horner, das diese Entwicklung verdeutlicht, für Aufregung gesorgt. Er bahnt sich seinen Weg durch ein – im wahrsten Sinne des Wortes – Meer aus Müll zum "Manta Point", einem der beliebtesten Schnorchel- und Tauch-Spots vor Nusa Penida, einer kleinen Nachbarinsel Balis:

BBC News

Teufelskreis: Tourismus – Müll – Natur

Auch ich habe während meines Aufenthalts auf Nusa Lembongan einen Ausflug zur Putzerstation der imposanten Mantarochen auf der Nebeninsel gemacht und war von der Horde an Tauchern und Schnorchlern schier überwältigt. Der erste Blick unter Wasser hat mich erschrocken – doch aus einem anderen Grund als Horner. Es waren nicht nur die hohen Wellen und die unglaublich vielen Boote um mich herum, die mich schnell wieder aus dem Wasser trieben, sondern die Erkenntnis, dass das Wasser voller Quallen war. 

Während ich auf dem Boot auf die anderen wartete, die mir kurze Zeit später folgten, sah ich mich um und stellte meine Entscheidung, diesen Ausflug gebucht zu haben, ernsthaft in Frage. Die Quallen waren nicht der Grund dafür. Sondern vielmehr die Tatsache, dass mit jedem zusätzlichen Besucher und Boot mehr Schadstoffe ins Meer gelangten, die Unterwasserwelt durch Geräusche und Bewegungen gestört wird, und mehr Müll im Wasser landet.

Rasante Entwicklung

Das Gespräch mit einem Fahrer am Rückweg nach Ubud hat mir verdeutlicht, wie schnell die Veränderung Balis von einer relativ unbekannten Insel zu einer der beliebtesten Urlaubsdestinationen unserer Zeit vonstatten ging.

Wayan lebt auf Nusa Lembongan, ist jedoch auf der Hauptinsel Bali im Einsatz. Er erinnert sich an seine frühere Arbeit in der Schifffahrt zurück und erzählt von der Jungfernfahrt nach Bali: "Wir haben aus Holz und Bambus ein Schiff zusammengezimmert. Es war alles andere als stabil, aber wir haben es geschafft: Nach zwei Tagen sind wir auf Bali angekommen – das hat uns eine neue Welt eröffnet!" Inzwischen sind knapp 40 Jahre vergangen und es hat sich einiges geändert. Heute steigt er einmal morgens und einmal abends in das Speedboot, das ihn innerhalb von rund 30 Minuten zu seinem Arbeitsplatz und wieder zurück nach Nusa Lembongan bringt. 

In einer guten halben Stunde geht's mit dem Speedboot von Sanur nach Nusa Lembongan.
Foto: Alexandra Eder

Fluch oder Segen? 

Was mit diesen Veränderungen und dem steigenden Tourismus verbunden ist? Reisfelder werden gegen Hotelkomplexe ersetzt, die Mülltrennung und -entsorgung funktioniert nach wie vor nicht, die Bevölkerung ist überfordert, der Abfall wird am Straßenrand verbrannt. Wasser, das für die Bewässerung der Reisfelder gebraucht wird, wird von Touristen verschwendet. Surfschulen, Hotels und Restaurants werden von Russen, Australiern und Europäern um einen Spottpreis eröffnet, den Einheimischen werden Geschäft und Häuser weggenommen. Andererseits werden genau dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen. Es ist ein Teufelskreis: Bali lebt vom Tourismus – und leidet gleichzeitig darunter.

Sonntagmorgen auf Bali: Der Müll brennt.
Foto: Alexandra Eder

Bye Bye Plastic Bags

Initiativen wie jene der Schwestern Melati und Isabel Wijsen sollen diesem Teufelskreis entgegenwirken. Die Schülerinnen der Green School auf Bali setzen beim Thema Müll an. Ihr Projekt "Bye Bye Plastic Bags", das sie 2015 in einem TED-Talk vorstellten, hat jede Menge Aufmerksamkeit bekommen. 

TED

Das Ziel: Plastiktaschen bis zum Jahr 2018 aus Bali zu verbannen. Ich bin begeistert von der Euphorie der beiden Mädchen, von ihrem Engagement und darüber hinaus von ihrem professionellen Auftritt. Doch nun schreiben wir bereits das Jahr 2018 – Plastik überall. Es scheint trotz harter Arbeit und internationaler Aufmerksamkeit noch nicht zu funktionieren. 

Die Natur als Lehrer

Angeregt von der Geschichte der beiden Schwestern mache ich mich auf den Weg zur Green School, die etwa 30 Minuten von Ubud entfernt liegt. Sie wurde 2008 von dem Kanadier John Hardy und seiner Frau Cynthia mitten im Dschungel mit dem Ziel gegründet, den eigenen vier Kindern eine Erziehung und Ausbildung bieten zu können, die sie effektiv auf das Leben nach der Schule vorbereiten würde. Sie sollten in und mit der Natur aufwachsen und sich der Zusammenhänge zwischen ihren Handlungen und den Auswirkungen auf die Umwelt bewusst sein. 

Das dreistöckige "Herz der Schule" sieht von oben aus wie drei Schnecken, die sich ineinanderwinden.
Foto: Alexandra Eder

In der Green School werden etwa 450 Schüler im Alter von drei bis 18 Jahren in klassischen Fächern wie Mathematik, Sprachen oder Naturwissenschaften unterrichtet. Der Fokus liegt dabei immer darauf, Nachhaltigkeit zu erleben und zu verstehen. Die Kinder bauen auf dem riesigen, offenen Schulgelände Gemüse an, ernten und verkochen es, stellen Kompost her und basteln Kunstwerke aus Materialen, die sie dem hauseigenen "Recycling Center" entnehmen. Es wird darüber hinaus die Entwicklung starker Persönlichkeiten forciert. Ein möglicher Hinweis darauf, warum Melati und Isabel den TED-Talk so bravourös meisterten. 

Das Gemüse wird unter anderem in einer Aquaponik-Anlage, überdacht von alten Autofenstern, gezogen.
Foto: Alexandra Eder

Der gesamte Schulkomplex ist aus Bambus gebaut, Wände gibt es keine. Sie würden die Hitze stauen und der Einsatz einer Klimaanlage widerspricht dem Konzept der Schule. So sind alle Räume offen und man fühlt überall eine leichte Brise durchwehen, der Schatten der Pflanzen sorgt für ein angenehmes Klima. 

In der hauseigenen Werkstatt werden Wertstoffe zu Kunstwerken verarbeitet.
Foto: Alexandra Eder

Das architektonische und erzieherische Konzept der Green School soll die Kinder in Balance mit der Natur bringen und neue "green leaders" hervorbringen. Was mich etwas verwundert hat: dass in der internationalen Privatschule etwa 80 Prozent der Schüler nicht aus Bali stammen. Für heimische Familien sind die hohen Schulgebühren im Normalfall nicht erschwinglich. Mitarbeiter der Green School können ihre Kinder immerhin um einen stark reduzierten Preis in der Schule unterbringen, sodass ein gewisser Anteil an balinesischen Schülern gewährleistet werden kann. Zudem gibt es spezielle Angebote, beispielsweise können Englischkurse im Austausch gegen fünf Kilogramm recyclebaren Abfalls kostenlos besucht werden.

Das Konzept der Schule ist meines Wissens nach einzigartig, Absolventen der Green School steigen mit einer anderen Geisteshaltung in das Berufsleben ein, als mit einer regulären Schulausbildung. Dessen bin ich mir sicher, nachdem ich das Areal mit eigenen Augen gesehen habe. Auch wenn sie ihr Ziel noch nicht erreicht haben – ich hoffe, dass Melati und Isabel an ihrem Bestreben festhalten und Bali in den nächsten Jahren frei von Plastiktaschen sein wird. 

Themen wie Recycling und Wertstofftrennung sind fixer Bestandteil des Stundenplans der Green School.
Foto: Alexandra Eder

Wie geht es weiter? 

Auf Bali gibt es viele umweltbewusste Personen und Unternehmen, so werden unter anderem Getränke oft mit Strohhalmen aus Bambus oder Glas und Speisen auf Bananenblättern serviert – beides Beispiele, die in der westlichen Welt seinesgleichen suchen. Doch was bringt das alles, wenn es einfach keine organisierte Müllabfuhr gibt? Wenn Abfall am Straßenrand, in Kanälen, in Flüssen entsorgt wird und ins Meer schwimmt? Wenn der Großteil der Touristen genauso wie Einheimische einfach kein Bewusstsein dafür hat, dass es nicht in Ordnung ist, Müll einfach fallen zu lassen oder unkontrolliert zu verbrennen? 

Bali hat sich zu einer beliebten Urlaubsdestination entwickelt, die kleine Insel wird von Touristen überlaufen, die immense Mengen an Müll erzeugen, sich dann umdrehen und wieder heimfliegen – und irgendwann nicht mehr kommen werden, weil sie sich vor dem Müll am Strand ekeln. Die Einwohner der Insel stehen dann vor einem riesigen Problem. Es bleibt zu hoffen, dass bald die Notbremse gezogen wird. (Alexandra Eder, 26.4.2018)

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Hinweis: Die Bloggerin wurde nach einer Bewerbungsphase auf Einladung von DER STANDARD in den Coworking-Retreat geschickt. Sie berichtet zweimal pro Woche über ihre Erfahrungen, ihre persönlichen Eindrücke, das Leben von digitalen Nomaden und das Arbeiten in einem Schwellenland. Die Aktion wird in Zusammenarbeit mit der Firma Unsettled durchgeführt. Die inhaltliche Verantwortung liegt zur Gänze beim STANDARD.