Bild nicht mehr verfügbar.

Schon jetzt gibt es eine absolute Überproduktion an Fleisch, weswegen ständig neue Absatzmärkte dafür gesucht werden müssen – wie etwa in China.

Foto: REUTERS/Daniel Acker

Jährlich werden über 600.000 Tonnen Soja als Futtermittel nach Österreich importiert, zum Großteil aus Südamerika. Dort wurden bislang zehn Millionen Hektar Regenwald vernichtet, Artenvielfalt zerstört, Indigene vertrieben und Menschenrechte verletzt. Mit Schiffen wird das Soja nach Europa geliefert, das über 70 Prozent seines Futtermitteleiweißbedarfs importieren muss, weil es die explodierende Nachfrage nicht aus eigener Produktion decken kann.

Das importierte Soja landet direkt in den heimischen Tierfabriken, wo der unverzichtbare Proteinlieferant für die beschleunigte Mast benötigt wird. Die Fleischindustrie lebt davon, dass die Produktionszyklen immer kürzer werden – dass also die Tiere so schnell wie möglich Gewicht zulegen und der Verwertung zugeführt werden können. Das unterstützt Konzentrationsbewegungen in der Landwirtschaft.

Weniger Betriebe, gesteigerte Produktion

Seit 1980 hat sich die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich halbiert, die bewirtschaftete Fläche hingegen verdoppelt und die Summe der gehaltenen Tiere sogar vervielfacht. Schon jetzt gibt es eine absolute Überproduktion an Fleisch, weswegen ständig neue Absatzmärkte dafür gesucht werden müssen – etwa in China, wo jüngst beim Staatsbesuch ein Abkommen für den Export von Schweinefleisch geschlossen wurde.

Die gesteigerte Produktion in immer größeren Tierfabriken führt zu einer zunehmenden Belastung für die Böden und Grundwasser in der Umgebung. Die Ausbringung der Unmengen an Fäkalien führt mittelfristig zu hohen Nitratbelastungen, einem deutlich höheren Wasseraufbereitungsaufwand und damit auch zu steigenden Trinkwasserpreisen, wie die Situation in einigen Regionen Deutschlands beispielhaft zeigt.

Das Bewusstsein für gesunde Ernährung steigt kontinuierlich, mittlerweile verzichten schon rund zehn Prozent der heimischen Bevölkerung komplett auf Fleisch. Um den Absatz von Fleischprodukten dennoch anzuregen, investiert die AMA jährlich Millionen Euro in Werbung, wo sie die Vorzüge des Fleischkonsums anpreist. Mitunter mit skurrilen Methoden der Indoktrination wird gezielt schon bei den Kleinsten geworben.

Wie Untersuchungen zeigen, ist Fleisch aufgrund der Intensivtierhaltung auch immer stärker mit Keimen belastet, zum Teil sind diese sogar resistent gegen Antibiotika. Unmengen an Medikamenten werden in der Zucht und Mast von Tieren eingesetzt, um Krankheiten vorzubeugen, die zwangsläufig in den industrialisierten Hallen der Fleischproduktion entstehen – mit fatalen Auswirkungen für die Konsumentinnen und Konsumenten.

Öffentliche Mittel gezielt einsetzen

Nicht nur deswegen ist es ein Gebot der Stunde, die biologische Landwirtschaft und den Anbau und Vertrieb von Gemüse und Obst zu stärken. Über zwei Milliarden Euro stehen der Regierung jährlich an Direktfördermitteln zur Verfügung, um in der Landwirtschaft gezielt Impulse zu setzen. Werden diese sinnvoll eingesetzt, könnte der Umstieg auf Biolandwirtschaft schneller erfolgen – derzeit sind wir bei insgesamt rund 20 Prozent angelangt.

Bei Fleisch jedoch stehen wir noch ganz am Anfang, so sind nur etwa zwei Prozent der Schweineviehbestände biologisch. Abkommen wie jenes mit China, das ausschließlich die konventionelle Fleischindustrie bedient, haben hierbei keine unterstützende Wirkung. Dabei wäre die Forcierung der biologischen Landwirtschaft auch eine wichtige Maßnahme zur Förderung kleinbäuerlicher Strukturen und zur Stärkung des ländlichen Raums.

Denn das Durchschnittseinkommen landwirtschaftlicher Betriebe liegt bei nur 20.000 Euro und ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Landflucht wird durch diese Perspektivenlosigkeit noch angeheizt. Von den 400.000 Beschäftigen in der österreichischen Landwirtschaft sind 80 Prozent Familienangehörige, der Großteil der Arbeit wird von ihnen unbezahlt verrichtet. Die Landwirtschaft ist also stark auf Fördermittel angewiesen.

Der Wandel den wir brauchen

Doch Förderungen kommen bei den kleinen Betrieben nicht an: So gibt die EU zwar rund 40 Prozent ihres Budgets oder rund 55 Milliarden Euro jährlich für die Förderung der Landwirtschaft aus, in Österreich beträgt der Anteil etwa 700 Millionen pro Jahr. Aber nur 18 Prozent der Fördernehmer erhielten zuletzt fast 80 Prozent der Förderungen, während die 80 Prozent Landwirte mit den niedrigsten Erträgen bloß 25 Prozent der Fördermittel erhielten.

Die direkten Förderungen sind ein konkreter Ansatzpunkt für die Herbeiführung eines Wandels in der Landwirtschaft. Doch der Staat besitzt über die öffentliche Beschaffung ein weiteres Milliardeninstrument – man denke nur an die vielen Kantinen in Schulen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen –, mit dem gerade die kleinteilige, regionale Landwirtschaft bei der Umstellung wirkungsvoll unterstützt werden könnte.

Klima- und Naturschutz, Tierwohl, Verteilungsgerechtigkeit und gesundheitliche Aspekte – all das steckt in unserem Essen und wird über unsere Teller mitentschieden. Den Konsumentinnen und Konsumenten kommt eine gewisse Einflussgröße zu, die großen systemischen Rahmenbedingungen werden jedoch in der Politik und mit ihren Entscheidungen zur Subventionierung, Förderung und Besteuerung gesetzt.

Dort ist die Zeit für einen Wandel in der Landwirtschaftspolitik gekommen – hin zu einer sozialen, biologischen, nachhaltigen und tierfreundlichen Landwirtschaft. Einer überlebensfähige Landwirtschaft also, von der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern leben können und die das Wohl der Konsumentinnen und Konsumenten genauso im Blick hat wie die unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen auf die Umwelt und das Wohl der Tiere. Es ist möglich. (Sebastian Bohrn Mena, 23.4.2018)