Forscher konnten endlich das Rätsel lösen, warum die ersten Bewohner Amerikas diese seltsamen Zahneinbuchtungen hatten.
Foto: Christy G. Turner, II, Rechte: G. Richard Scott

Berkeley/Wien – Die Analysen von alter menschlicher DNA haben in den vergangenen Jahren unser Wissen über die Menschheitsgeschichte revolutioniert. Dank der aufwendigen Auswertung von uralter Erbsubstanz weiß man heute sehr viel mehr über die Ausbreitung des modernen Menschen rund um den Planeten – und natürlich auch über die Migrationen bestimmter Populationen.

Dabei ist auch die Geschichte der Besiedelung des amerikanischen Doppelkontinents umgeschrieben worden. Heute weiß man, dass die Besiedelung ganz sicher über Ostasien erfolgte – und vermutlich auch schon um einiges früher als lange angenommen, nämlich während des Letzteiszeitlichen Maximums.

Langer Aufenthalt im hohen Norden

In diesem Zeitraum vor 26.500 bis 20.000 Jahren waren die nördlichen Teile der Nordhalbkugel mit einer besonders dicken Eisschicht überzogen, was die Beringstraße zwischen Ostasien und Alaska überquerbar machte. Wie man heute weiß, dürften sich die ersten menschlichen Migranten, die es bis nach Nordamerika schafften, relativ lange in der Gegend dieser Landbrücke aufgehalten haben, ehe sie entlang der Pazifikküste immer weiter in den Süden vordrangen.

Diese Zwischenrast im hohen Norden machte aber besondere Anpassungsleistungen nötig, wie Forscher um Leslea Hlusko im Fachblatt "PNAS" berichten. Sie gehen davon aus, dass es in diesen Breiten nötig war, zusätzliche Quellen für Vitamin D zu erschließen, da aufgrund der geringeren Sonnenstrahlung weniger davon produziert werden konnte.

Tatsächlich zeigte sich, dass fast 100 Prozent der Ureinwohner Nordamerikas vor der Ankunft der Europäer eine spezielle Variante des EDAR-Gens besaßen. (Heute ist dieser Anteil stark gesunken.)

Ein Gen für Haut, Drüsen und Zähne

Das Akronym steht für Ektodysplasin-A-Rezeptor, und das wiederum ist ein Protein, das für die Entwicklung der Haut, der Zähne, aber auch der Schweiß- und Milchdrüsen eine wichtige Rolle spielt. Die nordamerikanische Variante namens EDAR V370A führt zu mehr Schweißdrüsen, einer besseren Verzweigung der Milchdrüsenkanäle und zu Schneidezähnen mit tiefen, schaufelartigen Einbuchtungen an der Innenseite.

Doch warum kam es zu dieser Mutation und welchen Selektionsvorteil bietet sie? Die Forscher gehen davon aus, dass die besser verzweigten Kanälchen der Milchdrüse die Funktion hatten, die Neugeborenen über die Muttermilch effizienter mit Vitamin D und anderen Nährstoffen zu versorgen. Damit dürfte zugleich das Rätsel der seltsamen Zahneinbuchtungen gelöst sein: Es ist schlicht ein und dasselbe Gen, das beide Veränderungen bewirkt. (Klaus Taschwer, 23.4.2018)