Gefeierter Starinvestor, begehrter Philanthrop, gefürchteter Spekulant, verhasster Jude: Der heute 87-jährige George Soros spielt derzeit viele Rollen. In Ungarn, in Israel, aber auch in Russland, Serbien, Mazedonien oder Usbekistan entzünden sich rund um seine Aktivitäten politische wie gesellschaftliche Grabenkämpfe – und nun sogar in Österreich, wo FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus Soros zum Hintermann der Flüchtlingskrise abgestempelt hat. Aber wer ist George Soros, und warum spaltet er derart die Gemüter?

1930 in Budapest als György Schwartz geboren, besuchte Soros ein Budapester Gymnasium. Sein Vater, ein Rechtsanwalt, änderte 1936 den Familiennamen. Den Massenmord an den 560.000 ungarischen Juden nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1944 überlebte die Familie mithilfe falscher Dokumente.

Nach dem Krieg wanderte Soros allein nach Großbritannien aus, wo er an der London School of Economics studierte. Er besuchte Vorlesungen des österreichisch-britischen Philosophen und Nobelpreisträgers Karl Popper, was ihn seinen eigenen Worten zufolge tief geprägt hat.

Soros erwarb sich in den 60er-Jahren einen Namen als Fondsmanager für Banken in New York und London. Anfang der 70er-Jahre begann er mit seinem eigenen Fonds Geld zu verdienen. Sein Startkapital: zwölf Millionen Dollar.

Der demokratische Anfang in Budapest

Die demokratiepolitischen Aktivitäten von Soros begannen in den frühen 1980ern in Budapest, als die von ihm gegründete Soros Foundation in New York einen Vertrag mit der ungarischen Akademie der Wissenschaften schloss, um politische Bildung voranzutreiben. Die Übereinkunft war, den Übergang vom Kommunismus zur freien Marktwirtschaft durch Ausbildung demokratischer Kräfte zu erleichtern.

In den folgenden Jahren, als die Freiheitstendenzen in Osteuropa immer stärker wurden, unterstützte Soros immer mehr Thinktanks, NGOs und akademische Institute, um die personellen Voraussetzungen für eine neue Ära zu schaffen.

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Soros fördert nicht nur politische Aktivitäten in Europa. Er ist auch einer der großen Förderer der US-Demokraten.
Foto: AP

Instrumental dabei waren die "Open Society"-Institute, benannt nach dem bahnbrechenden Werk Poppers Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde. Die "offene Gesellschaft" nach Popper erlaubt ihren Mitgliedern, ihre kritischen Fähigkeiten durch freies Denken und Offenheit für Neues zu entwickeln, und ist dadurch auch technologisch und wirtschaftlich erfolgreich, während geschlossene Gesellschaften mit ihren eindimensionalen Heilslehren auch wirtschaftlich scheitern. Siehe Sowjetunion und der ganze Ostblock.

In den späten 80er-und frühen 90er-Jahren entstanden zahlreiche "Open Society"-Institute in Osteuropa, die eine wesentliche Rolle beim Übergang zum Postkommunismus spielten. Soros unterstützte ebenso Demokratiebewegungen in Serbien wie in der Ukraine. Viele der später zentralen Akteure profitierten davon. Darunter etwa Ungarns späterer Premier Viktor Orbán, der mit Soros-Geldern ein Stipendium für Oxford erhielt.

Sturz des Kommunismus

Soros sah seine Aufgabe nicht bloß darin, zum Sturz des Kommunismus und zur Etablierung der Marktwirtschaft beizutragen. Eine echte demokratische Gesellschaft brauche eine starke Zivilgesellschaft, schrieb er in einem Aufsatz in der New York Review of Books. Darum förderte er nach dem Sturz des Kommunismus weiter NGOs, Journalisten, Wissenschafter, Oppositionelle.

Auf Konfrontationskurs

Damit ging Soros auf Konfrontationskurs zu vielen der inzwischen autoritär regierenden Staatschefs. In Georgien unterstützte er 2003 die Rosenrevolution, die zum Sturz des Regimes in Tiflis führte. Soros zahlte einen Teil der Gehälter der frisch an die Macht gekommenen Minister selbst. Er finanzierte NGOs, die in Mazedonien erfolgreich gegen den umstrittenen Langzeitpremier Nikola Gruevski ankämpften. In Ungarn und Serbien profitieren kritische Journalisten von seinen Stipendien.

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Kampagne der ungarischen Regierung gegen den Investor Soros.
Foto: Reuters

Diese Aktivitäten machten Soros in den Augen zahlreicher Machthaber suspekt. Da mischt sich wer von außen ein, so die Kritik. die zuletzt sogar selbst in Israel aufkam. Dort unterstützt Soros zahlreiche NGOs, die der rechten Koalition unter Premier Benjamin Netanjahu kritisch gegenüberstehen.

Angegriffen wurde Soros zunächst für seine Aktivitäten als Hedgefondsmanager. So hatte er nicht nur eine Milliarde Pfund mit Wetten gegen die britische Notenbank 1992 verdient. Soros hatte auch in der Asienkrise viel Geld mit Spekulationen gewonnen. Er hatte erfolgreich hunderte Millionen auf einen Verfall der thailändischen Währung Baht gesetzt.

Attacken verfingen zunächst nicht

Doch die Attacken gegen Soros und seine Investments verfingen nicht. Sein Hedgefonds Quantum, der heute über 20 Milliarden Dollar verwaltet, verdient sein Geld mit globalen Spekulationsgeschäften. Bis auf Russland, wo Soros in das Telekommunikationsgeschäft einstieg und sich die Finger verbrannte, verbinden ihn mit Osteuropa kaum Geschäftsinteressen. Er ist kein Industriekapitän. Das Material für Verschwörungstheorien war zu dünn.

Die Flüchtlingskrise bricht aus

Das änderte sich mit der jüngsten Flüchtlingskrise. Soros hatte einen Beitrag für das Project Syndicate geschrieben, für eine Non-Profit-Organisation, die in vielen Zeitungen, darunter auch im STANDARD, immer wieder Kommentare publiziert.

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Soros finanziert in Israel zahlreiche regierungskritische NGOs. Dafür attackierte ihn Benjamin Netanjahu zuletzt immer wieder.
Foto: Reuters

Soros hatte einen Plan skizziert, wie Europa die Situation bewältigen könnte. Er plädierte nicht für offene Grenzen und wollte keine ungezügelte Zuwanderung. Seine Gegner aber stürzten sich nur auf die Aussage, wonach die EU pro Jahr 300.000 Flüchtlinge aus Krisenregionen aufnehmen sollte. Soros schlug vor, die Flüchtlinge auf Basis eines freiwilligen Mechanismus in der EU aufzuteilen.

Das "freiwillig" ging unter. Soros, der Mann hinter der Flüchtlingskrise: Ein neues Bild war geboren. Nun ließ sich das Bild für die Hassfigur vervollständigen. Alte Vorurteile trafen auf neue. Viel Geld, ein Jude, Migration. "Das ist eine gute Kombination, um in Osteuropa auf Stimmenfang zu gehen", sagt der auf die Region spezialisierte Ökonom Vladimir Gligorov. (Hans Rauscher, András Szigetvari, 24.4.2018)