Auch Beschmierungen wie diese können bei der Dokustelle gemeldet werden. 2017 hat diese Form der Diskriminierung laut Jahresbericht stark zugenommen.

Foto: Rami Ali

Oktober 2017. Frau R. beobachtet, wie ihr Sitznachbar zwei Frauen mit Kopftuch droht: "Ab heute werden wir euch jagen, seit heute wollen wir euch Nomadenweiber nicht mehr hier haben. Macht‘s euren Scheißfetzen runter." Als der Mann versucht, handgreiflich zu werden, greift Frau R. ein.

Im Vorjahr wurden in Österreich 309 rassistische Übergriffe auf Moslems angezeigt. Das ist ein Anstieg um 21 Prozent. Besonders viele Fälle wurden in Wien gemeldet.
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Zu finden ist diese Beschreibung als eine von vielen im Rassismus-Report der Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus für das Jahr 2017, der am Dienstag in Wien präsentiert wurde.

Zunahme zur Nationalratswahl

Der genaue Tag des Übergriffs auf die Sitznachbarinnen von Frau R. ist in dem Bericht zwar nicht festgehalten, anhand der Aussage dürfte es aber um die Tage nach der Nationalratswahl gehen. Die Dokustelle registrierte im Oktober einen Höchststand an Übergriffen. "Da war nicht nur die Wahl, sondern auch das Antigesichtsverhüllungsgesetz und die Kontroverse um eine Studie über islamische Kindergärten in Wien medial präsent. Der Islam war durchgängig Gesprächsthema", sagt Elif Öztürk Adam, die am Bericht mitgearbeitet hat.

Eine weitere Spitze habe es im Mai und im Juni gegeben, als viele Muslime den Fastenmonat Ramadan begingen. Es sei auch schon in den letzten Jahren aufgefallen, dass Täterinnen und Täter offenbar besonders gerne auf Feierlichkeiten oder Feiertage warten, um ihre Angriffe zu starten, sagt Öztürk Adam.

Zahl der Meldungen gestiegen

Die Dokustelle, ein Verein beziehungsweise Projekt der Initiative muslimischer Österreicherinnen und Österreicher (IMÖ), erstellt seit 2015 Jahresberichte, in denen verbale Angriffe, Beschmierungen, Diskriminierungen und auch tätliche Übergriffe gesammelt werden. Jedes Jahr werden es mehr – die Zahl gemeldeter Fälle stieg von 156 im ersten Jahr auf 256 im Jahr 2016 und schließlich 309 im vergangenen Jahr. Die Initiative erhebt allerdings keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit – aus einigen Bundesländern gibt es beispielsweise gar keine Meldungen.

Besonders auffällig sei im Jahr 2017 die Zunahme der Beschmierungen im öffentlichen Raum gewesen – an religiösen Einrichtungen, Wänden kultureller und politischer Vereine, aber auch an Bildungseinrichtungen: Sehr viele Schmierereien habe es am Uni-Campus im neunten Wiener Gemeindebezirk gegeben, sagt Öztürk Adam.

Hass auf Türken und Erdoğan

Außerdem habe man anhand der Meldungen feststellen können, dass im letzten Jahr besonders die Türkenfeindlichkeit zugenommen habe, während in den vorangegangenen Berichten der Hass auf Flüchtlinge eine größere Rolle gespielt habe. Besonders stark äußere sich das bei Frauen mit Kopftuch, die wegen ihrer Kopfbedeckung türkenfeindlich beschimpft worden seien, sagen die Vertreterinnen der Dokustelle. Immer wieder werde auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Beschimpfungen erwähnt.

Frauen seien ganz allgemein häufiger von Übergriffen betroffen: 98 Prozent der an Personen gerichteten Angriffe betrafen muslimische Frauen. Das habe meistens mit dem Kopftuch zu tun, das die Frauen als Muslime identifiziere. Aber auch eine nichtmuslimische Frau, die eine Kopfbedeckung ohne religiösen Hintergrund getragen habe, sei beschimpft worden. (lhag, 24.4.2018)