Foto: Stefan Armbruster

Dieser Körper, diese Kurven, vielversprechender ging es kaum! Cindy Crawfords Workout auf VHS-Kassette ließ in den 1990ern kaum jemanden kalt. Wenn das Model mit dem Muttermal am Strand Hanteln stemmte und in die Knie ging, sorgte jede Bewegung für Schweißperlen auf der Stirn.

Daran war neben dem Model, dem Körper und den Kurven jener schwarze, rasant geschnittene Badeanzug schuld. Er legte zwar die Beckenknochen frei, verpackte Crawfords Körper aber zuverlässiger als jeder Bikini. Die sexy abgepackten Fitnessübungen des Supermodels im Badeeinteiler kamen an. Das Videotape "Shape Your Body" wurde damals in den USA zwei Millionen Mal verkauft.

Jetzt ist nicht nur Cindy Crawford, sondern mit dem Fitnesswahn auch der sportlich ambitionierte Badeanzug zurück. Spätestens seit im vorigen Jahr das "Baywatch"-Remake in die Kinos kam, feiert der Einteiler sein Comeback. Der Badeanzug ist aber längst nicht mehr nur eine Sache für Pamela Anderson und ihre Kolleginnen, jene rasant gekurvten Lebensretterinnen mit Schwimmreifen.

Vom Ballspiel zum Seilsprung: Maša trägt einen gelben Badeanzug von Calvin Klein Swimwear, die Ohrringe aus Horn sind von Hermès.
Foto: Stefan Armbruster

Die Attraktivität des Badeanzugs hat sich herumgesprochen. Models wie die Deutsche Toni Garrn oder die Kärntnerin Nadine Leopold, die sonst beruflich auf dem Laufsteg des amerikanischen Unterwäscheherstellers Victoria's Secret auf und ab laufen, turnen in ihrer Freizeit auf Instagram im Badeanzug herum. Sogar Kim Kardashian, die Königin der operativ optimierten Körper, ist auf den Badeanzug gekommen. In einem Fotoshooting für die April-Ausgabe der amerikanischen "Elle" hält ein weißer Einteiler die Rundungen des Social-Media-Phänomens zusammen.

Ihr tun es viele Frauen gleich. Die besondere Magie des Badeanzugs ist in Zeiten von Social Media nachvollziehbar: Auf Instagram verwandeln sich die Einteiler inmitten all der artifiziellen Nacktheit, der kunstvoll in die Kamera gedrehten Hintern, der gebräunten Dekolletés und der aufgepumpten Körperteile in wahre Ruheinseln. Motto: Hier bin ich Frau, hier darf ich's sein. Die Badeanzüge?

Sind die allerbeste Ablenkung von der verschwitzten Hysterie um trainierte Oberschenkel und straffen Bauchdecken. Auf jenen paar Quadratzentimetern textiler Unschuld können die Augen verweilen und den aufgedrehten Optimierungswahn momentweise vergessen.

Bester Freund Badeanzug

Dass Frauen vermehrt mit dem Badeanzug auf Tuchfühlung gehen, ist aber auch seinem Charakter geschuldet: Dank seiner Anschmiegsamkeit kommt er dem weiblichen Körper so nah wie kaum ein anderes Kleidungsstück. Der Einteiler ist so was wie bester Freund und Liebhaber in einem. Er mag die Frauen wirklich. Während der Bikini, sein extrovertierter Kollege, oft unberechenbar agiert und hier ein Bäuchlein, da einen Dehnungsstreifen freilegt, wird der Badeanzug von allen Frauen geschätzt: Er schmeichelt schmalen wie wohlgerundeten weiblichen Körpern gleichermaßen.

Das sollte allerdings noch lang kein Grund sein, ihn zu unterschätzen. Denn der zurückhaltende Einteiler beherrscht auch das waghalsige Fach: So mancher Beinausschnitt legt das weibliche Becken auf schamlose Weise frei (wie hier im Shooting am nietenbesetzten Badeanzug der amerikanerischen Designerin Norma Kamali zu sehen), so mancher Rückenausschnitt lässt Einblicke zu.

Alles geht, nichts muss, hinsichtlich seiner Lockerheit ist der Einteiler seinem zweigeteilten Kollegen gar nicht so unähnlich. Einige Badeanzüge (wie jene des österreichischen Designers Gregor Pirouzi) zitieren die Sexyness der 1990er-Jahre. Andere erinnern an die Freizügigkeit der Sechziger und Siebziger, als Helmut Newton die beiden Supermodels Jerry Hall und Lisa Taylor in herunterskelettierten Tanga-Badeanzügen fotografierte. Und Veruschka in einem gelöcherten Badeanzug von Rudi Gernreich im Atlantischen Ozean planschte.

Stefan Armbruster fotografierte Model Maša Bačer in einem Badeanzug von Araks am Strand von Djerba in Tunesien.
Foto: Stefan Armbruster

Heute hingegen kokettieren viele kleinere Bademodenlabels mit den züchtigen Schnitten der 1940er- und 1950er-Jahre, die Beinausschnitte werden flach gehalten, die Oberteile sind fix modelliert: Barbara Gölles, die Designerin hinter dem in Wien ansässigen Label Margaret and Hermione, beobachtet einen Run auf ihre Badeanzüge.

Das Label Veronica Dreyer (das ab dem 15.5. Rendl heißt) hat sich auf Einteiler spezialisiert, rund 70 Prozent der verkauften Modelle sind Badeanzüge. Während das Ausrollen des Stoffs heute als nostalgisches, ironisches Zitat verstanden werden darf, war die Bedecktheit des Badeanzugs in der Vergangenheit dem verklemmten Zeitgeist geschuldet.

Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten öffentlichen Badeanstalten entstanden, muteten Bademodenkleider noch wie Nacht- und Unterwäsche an. Überhaupt war der Name Programm: Die "Bademodekleider" sahen mehr nach Kleidern als nach Schwimmdressen aus.

Der pinke Badeanzug ist von Fendi.
Foto: Stefan Armbruster

Um 1900 wurden dann die ersten Schwimmanzüge aus Baumwolltrikot getragen – der Beinausschnitt der Einteiler lag konsequent in der Horizontalen. Zur Wahrung der "Sittlichkeit" reichte das nicht aus. Noch in den 1920er-Jahren mussten in den Bädern Röcke über den Schwimmtrikots getragen werden, um den Hosenbeinansatz zu verdecken.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Prüderie aber 1932: Damals verordnete in Deutschland das preußische Innenministerium den sogenannten Zwickelerlass. Das hieß: Badeanzüge (von Frauen wie Männern) mussten im Schritt um einen Zwickel, ein keilförmiges Stück Stoff, ergänzt werden. Männer wurden streckenweise dazu verdonnert, in Familienbädern statt Badehosen Badeanzüge tragen.

Selbst in Hollywood war man in den 1940er-Jahren nicht viel weiter. Schauspielerinnen wie Rita Hayworth ließen sich in Badeanzügen fotografieren, die wie gut geschnürte Mieder aussahen und Brust und Becken ordentlich verpackten. Auch Marilyn Monroes Hüfte und Hintern versteckten sich 1949 während Fotoaufnahmen am Strand von Santa Monica noch verschämt hinter einer Lage Stoff.

Verdeckte Qualitäten

In diesem Frühjahr werden nun die verdeckten Qualitäten des Badeanzugs freigelegt. Weil er Ähnlichkeit mit Bodys und sportlichen Oberteilen aus Lycra aufweist, wird der Badeeinteiler nicht nur am Strand und im Schwimmbad, sondern auch an Land getragen.

Der blaue Einteiler von Gregor Pirouzi, die Sonnenbrille von Tom Ford.
Foto: Stefan Armbruster

Prominente Vorlagen für solche modischen Landgänge gibt es genügend. Im letzten Jahr posierte Nicole Kidman auf dem Cover des britischen "Love"-Magazins in einem geschnürten roten Badeanzug mitten auf der Straße, kein Pool weit und breit! In der Netflix-Serie "Love" trägt Protagonistin Mickey ihren roten Badeanzug zu Levi's und Holzfällerhemd, ohne auch nur eine Zehenspitze ins Wasser zu halten.

Wirklich neu ist diese Idee natürlich nicht. Schon Ende der 1950er-Jahre kombinierte Elizabeth Taylor in der Tennessee-Williams-Verfilmung "Suddenly, Last Summer" Badeanzüge mit Tellerröcken.

Dehnübungen am Strand von Djerba: Maša in einem Badeanzug von Versace.
Foto: Stefan Armbruster

Das scheint aber kaum jemand mehr auf dem Schirm zu haben. Vor wenigen Wochen sorgte ein wasserscheuer Badeanzug auf Twitter für Irritationen. Das nietenbesetzte Modell wurde beim Onlinehändler Asos in der Kategorie "Badeanzüge" angeboten. In der Produktbeschreibung hieß es: "(...) kann nicht im Wasser getragen werden." Die Empörung in den sozialen Netzwerken war groß: "Das soll ein B a d e a n z u g sein"? Dabei täte ein wenig Großzügigkeit tut. Der Einteiler hätte es verdient. (Anne Feldkamp, RONDO, 4.5.2018)

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