Es war im Dezember, als Lina G. begann, sich um einen Geburtenplatz in einem Wiener Krankenhaus umzuschauen – ein halbes Jahr vor dem Geburtstermin Mitte Mai. Sie nahm an Führungen in verschiedenen Krankenhäusern teil, um sich ein Bild zu machen. Das erstbeste wollte sie nicht nehmen, handelte es sich doch schließlich um ihr erstes Kind. Doch als sie dann bei ihrer ersten Wahl anrief, um einen Platz zu reservieren, wurde sie abgewiesen. Man sei schon voll. Das Gleiche geschah im zweiten, im dritten, im vierten und im fünften Spital. Überall war sie zu spät dran. "Ich hatte zwar keine Panik, war aber schon geschockt", erzählt die 29-jährige Vorarlbergerin. Geworden ist es schließlich eine von ihr nicht besuchte Klinik, das Krankenhaus Hietzing.

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Wer in Wien entbinden will, muss sich schon früh um einen Platz kümmern.
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Situationen wie diese kennt Stefan Zawodsky gut. Der Arzt ist Leiter einer Gynäkologie- und Geburtshilfeabteilung in einem Wiener Krankenhaus. Direkt nach der Berechnung des Geburtstermins wird den Frauen aufgetragen, sich um einen Platz zum Entbinden in einem Krankenhaus zu bemühen. Schon in der zwölften Schwangerschaftswoche werde es angesichts der Kapazitäten in den Geburtshäusern in Wien sehr knapp, sagt Zawodsky.

Es bleibe nur wenig Zeit, die Angebote der einzelnen Abteilungen kennenzulernen. "Für Schwangere ist die Situation angespannt, wenn sich der Arzt in der Ordination nicht um die Geburtsanmeldung kümmert", sagt Zawodsky dem STANDARD. Nicht selten müssen Frauen nach Niederösterreich ausweichen, dort ist die Situation entspannter. Im Krankenhaus von Zawodsky bekommen monatlich 150 Frauen einen Geburtsplatz. Doch der Andrang ist größer, zwischen 20 und 50 werden abgelehnt.

Immer mehr Babys

In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Entbindungen in Wien kontinuierlich an. 21.000 Geburten wurden 2016 in Wien registriert, zehn Jahre zuvor waren es noch 3000 Babys weniger. Ein Großteil, rund 12.000 Geburten, wird pro Jahr in den Krankenhäusern des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) durchgeführt. Auch 2018 rechnet man mit dieser Größe. Engpässe will man dort nicht erkennen. "Mit dieser Kapazität ist garantiert, dass jede Schwangere, die in einem KAV-Spital entbinden möchte, dies auch kann", heißt es auf STANDARD-Nachfrage. Die Planung orientiere sich an den Geburtenzahlen der Vorjahre und an der demografischen Prognose. Es bestehe kein Erfordernis, darüber hinaus Geburtenplätze zu schaffen.

Zawodsky sieht das anders: "Die Stadt Wien hat die Geburtsentwicklung über Jahre hinweg verschlafen." Die Maßnahmen, die bisher gesetzt wurden, seien unzureichend. Die Missstände seien schon lange bekannt, aber auf die typisch österreichische Art habe man sich jahrelang gedacht, das werde schon irgendwie werden.

Auch an die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz wenden sich immer wieder Frauen, die keinen Platz in Wien bekommen. Für Pilz ein Beleg dafür, dass die Kapazitäten eben nicht ausreichen, auch weil die Stadt weiter wachse. Sie weist auf die Notwendigkeit der frühen Information hin: "Frauen müssen in der zweiten Schwangerschaftshälfte Gewissheit haben, wo sie entbinden werden."

Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz fordert mehr Hebammen in Spitälern, damit auch mehr Geburten durchgeführt werden können.
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Um den Frauen die Spital-Herbergssuche auf eigene Faust zu ersparen, ist eine zentrale Anmeldestelle geplant. Diese hätte bereits Ende vergangenen Jahres in Betrieb gehen sollen, sie existiert aber nicht. Laut KAV soll sie in diesem Jahr anlaufen. Die technischen Voraussetzungen sind vorhanden, doch es hakt bei Detailfragen.

Zawodsky war in die Planungen eingebunden. "Es gibt noch Hürden", sagt der Oberarzt. Der KAV habe darauf beharrt, Frauen erst in der 25. Schwangerschaftswoche Bescheid zu geben, in welchem Krankenhaus sie entbinden können. "Schwangere wollen aber früher wissen, wo sie betreut werden."

Patientenanwältin Pilz empfiehlt ein Zusammenspiel aller Spitalsträger. Dabei geht es ihr nicht nur um die Betten auf Geburtenstationen und die Zahl der Kreißzimmer, sondern auch um Geburtshelferinnen: Mehr Hebammen in Spitälern und für die Nachbetreuung seien unumgänglich. 24 Kassenhebammen gebe es derzeit in Wien, eine Verdreifachung der Kapazitäten sei notwendig.

Denn Frauen sollen so schnell wie möglich nach der Geburt aus dem Spital entlassen werden können. Dafür müssen sie sich aber auf Hebammen für die Nachbetreuung verlassen können. Doch es wurden in der Vergangenheit zu wenige ausgebildet. Die Studienplätze müssen aufgestockt werden. "Ich weiß aus verschiedenen Spitälern, dass mit mehr Hebammen auch mehr Geburten durchgeführt werden könnten", sagt Pilz.

Die Geburtenstationen verfügen über eine Personalausstattung entsprechend ihrer infrastrukturellen Leistungskapazität, kontert der KAV. Dies betreffe alle relevanten Berufsgruppen, also Ärzte, Pflegepersonen und auch Hebammen.

Angst, auf der Straße entbinden zu müssen, muss aber niemand haben. Eine Frau mit Geburtssymptomen darf von keinem Krankenhaus abgewiesen werden, unabhängig davon, ob sie zur Geburt angemeldet ist.

Zawodsky plädiert dafür, Wienerinnen den Vorrang zu geben. Derzeit würden für die Geburt viele Frauen aus Niederösterreich nach Wien pendeln. Mit der derzeit vorherrschenden Regelung der freien Spitalswahl sei das nicht stemmbar. "Dafür bräuchte man eine politische Lösung." (Marie-Theres Egyed, Vanessa Gaigg, 3.5.2018)