Experten kritisieren: Häufig vergeht geraume Zeit, bis Betroffene die richtigen Diagnose erhalten. "Symptome wie Atemnot werden als Konditionsmangel oder Altersschwäche fehlinterpretiert", so Rudolf Berger vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder.

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Wien – Von Herzschwäche sind in Österreich möglicherweise 300.000 Menschen betroffen, 80 Prozent von ihnen sind über 65 Jahre alt. Es gibt Therapien, diese werden allerdings nicht in ausreichendem Maß umgesetzt, erklärten Kardiologen am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Für die steigende Zahl der Erkrankten gebe es drei Gründe, sagte Deddo Mörtl, der Leiter der Herzinsuffizienz-Ambulanz des Universitätsklinikums St. Pölten. Es handelt sich vorwiegend um eine Erkrankung der Älteren – und diese Bevölkerungsgruppe wächst. Die weiteren Ursachen: Immer mehr Menschen überleben einen Herzinfarkt. Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Bewegungsmangel nehmen ebenfalls zu. Die Erkrankung habe mittlerweile einen epidemiologischen Charakter erreicht.

"Herzinsuffizienz wird uns vor massive gesundheitsökonomische Probleme stellen", warnte Mörtl. In Österreich ist Herzschwäche inzwischen die häufigste Diagnose bei stationär behandelten Patienten, bei Über-65-Jährigen die häufigste Entlassungsdiagnose. "Gleichzeitig haben wir für die Herzinsuffizienz sehr erfolgreiche Therapien, sie werden allerdings nicht ausreichend umgesetzt", sagte der Spezialist und konstatierte: "Man kann von therapeutischem Nihilismus sprechen. 70 Prozent der Kosten durch Herzinsuffizienz entstehen aus Hospitalisierungen."

Disease-Management-Programm fehlt

Mitunter vergeht geraume Zeit, bis Betroffene die richtigen Diagnose erhalten. "Symptome wie Atemnot werden als Konditionsmangel oder Altersschwäche fehlinterpretiert", sagte Rudolf Berger vom Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und Leiter der AG Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologen-Gesellschaft (ÖKG). "Für den Patienten macht es einen Riesenunterschied, ob er ein paar Monate früher oder später mit der Therapie beginnt." An effizienten neuen Wirkstoffkombinationen stehen Sacubitril/Valsartan zur Verfügung, Omecativ Mercabil wird derzeit noch in Phase-III-Studien geprüft.

Ein flächendeckendes Disease-Management-Programm für Herzinsuffizienz gibt es in Österreich im Gegensatz zu Deutschland nicht, bemängelten die Spezialisten. Von Ärzten vorgeschlagene Maßnahmen seien nicht immer zweckmäßig. "Eine Kardio-Angiografie ist nicht zwingend notwendig. Von strikter Kalorienreduzierung raten wird ab, auch von Kochsalzreduktion", erklärte Berger. Ein Mittel, um mehr Bewusstsein für die Erkrankung zu schaffen, sehen die Experten in Aufklärungsinitiativen wie anlässlich des Europäischen Tags der Herzinsuffizienz (5. bis 7. Mai). In Wien findet darüber hinaus von 26. bis 29. Mai der Europäische Heart-Failure-Kongress statt.

Curriculum in Begutachtung

Maßstab für Diagnose und Therapie sind Leitlinien mit Empfehlungen, was zu geschehen hat, wenn ein Patient mit dem Verdacht auf Herzinsuffizienz zum Arzt kommt. Behandlungsziel ist eine Verringerung der Symptome, zu verhindern, dass ein Spitalsaufenthalt notwendig wird und eine verbesserte Überlebensrate.

Die ÖKG hat darüber hinaus ein Curriculum für eine Spezialisierung innerhalb der Kardiologie auf akute und chronische Herzinsuffizienz erarbeitet, das sich derzeit in der Begutachtungsphase befindet. Die vorgesehene Ausbildungszeit beträgt 24 Monate. (APA, 4.5.2018)