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Prozess im Gefängnis: Das Gerichtsverfahren gegen den US-Pastor Andrew Brunson läuft in einer zum Gerichtssaal umfunktionierten Sporthalle auf dem Gelände des Gefängnisses in Aliaga nördlich von Izmir ab. Brunson ist seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wird ihm die Unterstützung der PKK und der Gülen-Bewegung.

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Andrew Brunson lebt seit mehr als 20 Jahren in der Türkei und war zuletzt Pastor einer kleinen presbyterianischen Kirche in Izmir.

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Brunsons Ehefrau Norine verließ am Montagabend enttäuscht das Gefängnis in Aliaga. Brunson war auch beim zweiten Verhandlungstermin nicht aus der Haft entlassen worden. Im US-Senat und im Repräsentantenhaus wachsen nun die Rufe nach Sanktionen gegen den Nato-Verbündeten Türkei.

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Er hat von verbotenen Speisen gekostet, sie vielleicht sogar selbst in nächtlichen Stunden zubereitet und sich Gäste eingeladen. Er soll die Fähigkeit besitzen, sein Mobiltelefon am selben Ort verweilen zu lassen wie der Gesandte einer finsteren Organisation und mit demselben in Verbindung getreten zu sein, möglicherweise 293-mal. Geheime Zeugen berichten schließlich von Missionierungen und einem fürchterlichen Plan: der Erschaffung eines christlichen Kurdistan.

Nach einer elf Stunden dauernden Verhandlung in einem Gefängnis nahe der türkischen Hafenstadt Izmir schien Andrew Brunson, der US-amerikanische Pastor, am Montagabend nur tiefer in den Sumpf bizarr anmutender Anklagen zu sinken.

Nächste Verhandlung im Juli

Der Vorsitzende Richter ordnete Brunsons Rücktransport in die Einzelzelle an bis zur nächsten Verhandlung in zehn Wochen. Familienangehörige des 50-jährigen Presbyterianer-Pastors und US-Regierungsvertreter zeigten sich enttäuscht. Brunson wird von der türkischen Justiz seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft gehalten. Ihm drohen 35 Jahre Gefängnis wegen angeblicher Spionage, Unterstützung von Terrororganisationen und wegen Missionierung.

Die Anklagen gegen Brunson seien eine "absurde Sammlung anonymer Anschuldigungen, von Eingebungen aus dem Reich der Fantasie und willkürlichem Rufmord", schrieben 154 Abgeordnete des US-Repräsentantenhauses in einem Brief an den türkischen Staatschef Tayyip Erdoğan. Sie fordern wie auch US-Präsident Donald Trump die Freilassung des Pastors.

Verdächtiges Reisgericht

Als Beleg für Brunsons Verbindungen zur Bewegung des türkischen Predigers Fethullah Gülen wird in der Anklageschrift unter anderem das Rezept eines Reisgerichts mit Huhn oder Rindfleisch angeführt, das der Pastor von seiner Tochter aus den USA als Internetvideo erhielt. "Maklube", ein im ganzen Nahen Osten populäres Gericht, wird angeblich auch bei Treffen von Gülen-Anhängern serviert.

Brunson soll sich zwischen 2011 und 2015 auffällig oft in der Nähe von Bekir Baz aufgehalten haben, einem angeblich hochrangigen Vertreter der Gülen-Bewegung in der Region von Izmir. Das soll die Auswertung der Mobiltelefonsignale von Brunson und Baz ergeben haben; Gespräche konnten offenbar nicht nachgewiesen werden. Baz hat sich in die USA abgesetzt.

Tauschhandel gegen Gülen

Die Türkei macht Gülen und seine Bewegung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich. Sie fordert seit bald zwei Jahren und bisher ohne Erfolg die Auslieferung des ebenfalls in den USA lebenden Predigers. Der Prozess gegen Brunson und andere US-Bürger in der Türkei wird in Washington als Versuch verstanden, Gülens Auslieferung zu erpressen. Erdoğan selbst schlug öffentlich vor, Brunson gegen Gülen auszutauschen.

Brunson selbst wies am Montag Vorwürfe zurück, er habe in seiner Kirche in Izmir Mitgliedern der verbotenen kurdischen PKK geholfen. "Diese Anschuldigungen sind schamlos und abscheulich", zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu den Pastor im Gerichtssaal. "Es gibt kein einziges Foto oder eine Tonaufnahme, wo die PKK in der Wiederauferstehungskirche gepriesen würde. Unsere Kirche hatte mehrere türkische Gläubige. Unsere Türen standen jedem offen. Ich habe mich bemüht, Politik von der Kirche fernzuhalten."

Brunson lebt seit mehr als 20 Jahren in der Türkei und führte eine kleine Kirche in Izmir mit 30 bis 40 Mitgliedern. In regierungsnahen türkischen Zeitungen zirkulierten Fotos, die den Pastor auch in der syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobane zeigen. Brunson räumte bei seiner ersten Verhandlungen Mitte April ein, dass er häufig in den mehrheitlich kurdischen Südosten der Türkei reiste, um Gläubige zu treffen. Bei der Verhandlung am Montag waren zwei anonyme Zeugen über Video zugeschaltet. Ihre Gesichter und Stimmen waren verändert worden. (Markus Bernath, 8.5.2018)