London/Köln – Die deutschen Nationalspieler Mesut Özil und İlkay Gündoğan haben unmittelbar vor ihrer erwarteten WM-Nominierung mit einem fragwürdigen politischen Statement irritiert. Die beiden ließen sich am Sonntag in einem Londoner Luxushotel vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hofieren. Für den türkischstämmigen deutschen Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir leisteten sie damit "geschmacklose Wahlkampfhilfe".

Bei einem Fototermin im Rahmen von Erdoğans dreitägigem Besuch in Großbritannien überreichten Özil und Gündoğan dem Präsidenten Trikots ihrer englischen Vereine FC Arsenal beziehungsweise Manchester City. Gündoğans Trikot mit der Nummer acht war handsigniert: "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten".

Özil sendete zudem einen Tweet, der ihn offenbar bei dem Treffen zeigt. Dazu schrieb er auf Englisch "in guter Gesellschaft heute Abend", versehen mit einem zwinkernden Gesicht sowie der deutschen und türkischen Fahne.

Kritik aus Deutschland

Özdemir, langjähriger Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen, reagierte empört. "Der Bundespräsident eines deutschen Fußball-Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag", sagte er am Montag: "Es sitzt in Berlin, nicht in Ankara."

Anstatt Erdoğan "diese geschmacklose Wahlkampfhilfe" zu leisten, betonte Özdemir, "wünsche ich mir von den Spielern, dass sie sich aufs Fußballspielen konzentrieren und noch einmal die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nachschlagen". Erdoğans Partei AKP hatte Fotos des Treffens im Hotel Four Seasons, an dem auch der deutsch-türkische Profi Cenk Tosun vom FC Everton teilnahm, am Montag bei Twitter veröffentlicht.

1,5 Millionen in Deutschland lebende Türken wahlberechtigt

Der Besuch der beiden Nationalspieler ist in mehrerlei Hinsicht brisant. Zum einen politisch, da Erdoğan vorgeworfen wird, die Pressefreiheit zu beschneiden, Journalisten und Oppositionelle verhaften zu lassen.

Gerade erst hat er die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen auf den 24. Juni vorgezogen: Die Fotos mit Özil und Gündoğan sind in Erdoğans Kampf für den Umbau der Türkei zu einem Präsidialsystem willkommen. Etwa 1,5 Millionen in Deutschland lebende Türken sind wahlberechtigt, hierzulande ist Erdoğan der Wahlkampf untersagt.

Es gibt aber auch eine starke sportliche Komponente: Am Dienstag wird Bundestrainer Joachim Löw den Weltmeister Özil und auch Gündoğan höchstwahrscheinlich ins Aufgebot für die Weltmeisterschaft in Russland (14. Juni bis 15. Juli) berufen.

Unmittelbar davor die Nähe des türkischen Präsidenten zu suchen, erscheint zumindest ungeschickt. Zudem konkurrieren Deutschland und die Türkei um die Ausrichtung der EM 2024.

DFB verärgert

DFB-Präsident Reinhard Grindel hat Özil und Gündogan für ihr Treffen hart gerügt. "Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden", schrieb Grindel am Montag bei Twitter. "Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen."

Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff ergänzte, er habe "nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren". Die Mittelfeldstars seien "sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst" gewesen: "Aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut und besprechen das mit den Spielern." (sid, 14.5.2018)