US-Finanzminister Steve Mnuchin und Präsidenten-Tochter Ivanka Trump waren bei der Botschaftseröffnung dabei.

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Trump und Mnuchin eröffnen die Botschaft.

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Protest vor der neuen US-Botschaft

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Gerade als auf der anderen Seite des Tals US-Finanzminister Steven Mnuchin den Vorhang wegzieht und das neue Schild der US-Botschaft in Jerusalem enthüllt, bricht wenige Hundert Meter weiter nördlich Tumult aus. Eine Gruppe von rund 200 arabischen Demonstranten hat sich auf einem Vorplatz zwischen unscheinbaren Wohnhäusern versammelt, darunter auch arabische Knessetabgeordnete wie Ayman Odeh und Ahmad Tibi. Es wird getrommelt und gerufen. Der Protest ist genehmigt, und doch greift die Polizei wenige Minuten später rabiat ein. Die Fahnen und Alahu-akbar-Gesänge verstoßen gegen die Vereinbarungen, wird Polizeisprecher Micky Rosenfeld später erklären.

Dutzende Uniformierte rennen auf die Menge zu, sie reißen den Demonstranten die Palästinenserfahnen und die Plakate aus der Hand, auf denen Sätze wie "Al Quds ist arabisch" stehen. Al Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Die Polizisten drängen die Menge weiter nach hinten, weg von der Straße, bauen neue Absperrungen auf, mehrere Demonstranten werden festgenommen und abgeführt, 14 sind es nach Angaben der Polizei. "Busha", Schande, schreien einige. Auf der Pro-Trump-Seite des Protests wird geklatscht – und von einem der Wohnhäuser spritzt ein Anwohner mit dem Gartenschlauch Wasser auf die arabischen Demonstranten.

"Alles Terroristen"

Wenig später werden sich Befürworter des Umzugs der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, die mit Trump-Mützen und Shirts unterwegs sind, mit den Gegnern direkt anlegen. Die Menschen werden sich anschreien, sich gegenseitig Israel- und Palästinaflaggen aus den Händen ziehen. "Alles Terroristen", wird eine Frau von ihrem Balkon rufen, und eine ältere Israelin wird, den Tränen nahe, die Polizeibeamten anbrüllen, warum sie das hier nur zulassen können, dass die Flagge des Staates Israel so entwürdigt wird. Der Umzug der US-Botschaft lässt den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern an diesem Nachmittag so schonungslos deutlich werden wie selten.

Auf dem weitläufig abgeriegelten Botschaftsgelände, um dessen Sicherheit sich an diesem Nachmittag tausende Sicherheitsbeamte kümmern, bekommen die rund 800 geladenen Gäste bei der Zeremonie nur wenig von den Protesten mit. Eine Drohne und Helikopter kreisen über dem Gelände, das direkt auf der Grünen Linie zwischen Westjerusalem und jenem Gebiet liegt, das manche als Niemandsland bezeichnen, das aber eigentlich ein Gebiet "zwischen den Linien" ist: ein Sondergebiet zwischen West- und Ostjerusalem, das im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens zwischen Jordanien und Israel 1949 wiederum in drei Sonderzonen aufgeteilt wurde.

"Indem wir die Botschaft verlegt haben, haben wir der Welt wieder einmal gezeigt, dass den USA vertraut werden kann", so Trump-Berater und Schwiegersohn Jared Kushner, der zusammen mit seiner Frau Ivanka Trump an der Zeremonie in Jerusalem teilnimmt. "Jene, die Gewalt provozieren, sind Teil des Problems und nicht der Lösung." Israels Premier Netanjahu lobte während der Zeremonie den US-Präsidenten für seine Entscheidung: "Indem Sie Geschichte anerkannt haben, haben Sie Geschichte geschrieben." Auch Trump selbst, der lange offengelassen hatte, ob er ebenfalls nach Jerusalem kommt, schaltet sich an diesem Nachmittag per Video zur Zeremonie: "Die USA sind weiterhin bereit, eine Friedensvereinbarung zustande zu bringen."

Umzug am Unabhängigkeitstag

Doch mit seinem symbolträchtigen Botschaftsumzug, ausgerechnet am 14. Mai, dem israelischen Unabhängigkeitstag nach gregorianischem Kalender, hat Trump einseitig Fakten geschaffen, wo für viele noch eine Menge Diskussionsbedarf bestanden hätte – auch wenn nur ein kleiner Teil des Mitarbeiterstabs tatsächlich nach Jerusalem zieht und die meisten vorerst weiterhin in Tel Aviv arbeiten werden, bis der geplante Neubau fertig ist.

Für viele Israelis gleicht es einem Geburtstagsgeschenk: Israel beansprucht ein ungeteiltes Jerusalem als Hauptstadt. Das haben die jüdischen Bewohner bereits am Vortag, am Jerusalem-Tag, noch einmal deutlich gezeigt: Zur Feier der Eroberung des Ostteils während des Sechstagekrieges 1967 marschierten tausende Israelis wie jedes Jahr mit Flaggen durch Teile Ostjerusalems und in der Altstadt. Doch die Palästinenser, die am Dienstag an die "Nakba", ihre persönliche Katastrophe, erinnern, die Israels Staatsgründung für sie darstellt, beanspruchen zumindest Ostjerusalem als Hauptstadt ihres zukünftigen Palästinenserstaates.

EU lehnt Umzug ab

Auch deshalb haben die anderen in Israel vertretenen Länder ihren Botschaftssitz bisher in und um Tel Aviv gewählt. Die EU lehnt den Umzug ab und hatte geplant, den Schritt der Amerikaner zu verurteilen. Doch Ungarn, Tschechien und Rumänien blockierten die Resolution. Zusammen mit Österreich waren sie die einzigen Vertreter aus der EU, die beim Gala-Empfang im Außenministerium am Sonntagabend in Jerusalem dabei waren. Insgesamt hatten nur 33 der 86 geladenen Landesvertreter die Einladung angenommen.

Auf der palästinensischen Seite des Protests, die durch Absperr gitter von den Pro-Trump-Anhängern abgetrennt ist, protestieren auch jüdische Israelis. Die 27-jährige Sahar Vardi, die eine Trommel um den Bauch hängen hat, ist eine von ihnen: "Es geht nicht um Palästinenser versus Israelis, sondern um die Besatzung. Und die Polizei hat mit ihrem Vorgehen heute wieder gezeigt, wie Besatzung aussieht", sagt sie. "Es ist schlicht frustrierend."

Mehr als 50 Menschen sind bis zum Abend bei den Protesten ums Leben gekommen. Wie angekündigt hatten die Palästinenser im Gazastreifen an der Grenze zu Israel demonstriert. Die Armee zählte 40.000 Demonstranten an 13 verschiedenen Orten, einige hätten Molotowcocktails und explosive Geschoße in Richtung des Sicherheitszauns geworfen. Und die Armee reagierte – auch mit scharfer Munition. Das UN-Menschenrechtsbüro zeigte sich auf Twitter "schockiert" und sprach von "empörenden Menschenrechtsverletzungen". (Lissy Kaufmann aus Jerusalem, 14.5.2018)