Bild nicht mehr verfügbar.

Lars von Trier (Mitte) ist zurück in Cannes, hier gemeinsam mit seinen Schauspielern Bruno Ganz (links) und Matt Dillon.

Foto: AP / Vianney Le Caer

Matt Dillon als Serienmörder in "The House That Jack Built".

Foto: Filmfestspiele Cannes

Auch mit dabei in Lars von Triers neuem Film: Uma Thurman.

Foto: Filmfestspiele Cannes

Jack mordet unbeirrt vor sich hin. Niemand schreitet ein.

Foto: Filmfestspiele Cannes

Nach sieben Tagen Nonstop-Festival hat der morgendliche Gang zum großen Théâtre Lumière schon eine absurde Anmutung. Vor allem dann, wenn die Sonne hämisch vom Cotê-d'Azur-Himmel strahlt, wo mich doch im Kino ein Gemetzel erwartet. Lars von Trier, sieben Jahren nach seinem Eklat bei der Pressekonferenz von "Melancholia" zurück in Cannes, hat im Vorfeld des Festivals vollmundig behauptet, dass "The House That Jack Built" sein bis dato blutrünstigster Film geworden sei.

Nun, angekündigte Blutopern finden nicht statt. Zumindest nicht in dem Ausmaß, wie man es sich bei einem Film, der den Alltag eines Serienmörders (Matt Dillon) begleitet, erwarten könnte. Natürlich könnte man nun als Gegenargument all das aufzählen, was darin zerquetscht, zertrümmert, abgeschnitten, gewürgt oder durchdolcht wird. Doch all diese Gräuel sind dankenswerterweise in keine Dramaturgie eingepasst, die plump auf die Überwältigung des Zuschauers zielt.

Changierende Episoden

Vielmehr wählt der dänische Regisseur wie schon in "Nymphomaniac" eine diskursive Gegenüberstellung als Ausgangspunkt. Die im Tonfall durchaus changierenden Episoden über Jacks mörderische Triebtaten – ausgelöst (fallweise auch behindert) durch einen Ordnungszwang – werden in einem Off-Dialog mit Verge (Bruno Ganz) reflektiert, selbiger eine Art Charon-Figur mit reichhaltigem Wissen über das psychologische Innenleben von Serienkillern.

Das Ergebnis erinnert an ein essayhaftes Bilderbuch, in dem in zweieinhalb Stunden ausgiebig über Jägerkultur, die geeignetste Form der Konservierung von Leichen und vor allem den Zusammenhang zwischen dem Bösen und der Kunst nachgedacht wird. Jack verkörpert schließlich nicht nur das (Natur-)Gesetz der Zerstörung, sondern betrachtet sich selbst als Architekt, der aus der Materie, den Körpern, etwas Bleibendes erschaffen will.

Komik für Fortgeschrittene

Natürlich gibt das von Trier einige Gelegenheit, sich die Lächerlichkeit dieses Unterfangens mit abgründigem Humor auszumalen, zugleich leistet er auch ein Stück ironische Selbstreflexion. Nennen wir es Komik für Fortgeschrittene, wenn Jack einen ermordeten Buben zu einem diabolisch grimassierenden Zwerg umgestaltet.

Wohin will Lars von Trier mit diesem Film? Schwer zu sagen. In seinen hintersinnigen Momenten ist "The House That Jack Built" jedenfalls auch ein Film über die Banalität des Bösen in einer Welt, in der die moralischen Verankerungen nichts mehr gelten. Jack mordet völlig unbeirrt vor sich hin. Niemand schreitet ein. Keiner, das sagt er einmal sogar selbst zu einem der weiblichen Opfer, kommt in diesem Land zur Hilfe. In diesen Momenten zeigt sich, dass Lars von Triers Nerv für zeitgemäße Themen immer noch gut funktioniert. (Dominik Kamalzadeh, 15.5.2018)