Der Mathematiker Christoph Aistleitner verfolgt kreative Ansätze in der Zahlentheorie.

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Seit Jahrtausenden grübeln Mathematiker über Primzahlen. Die nur durch eins oder sich selbst teilbaren Zahlen können als die Bausteine aller weiteren Zahlen betrachtet werden. Bis heute sind längst nicht alle Rätsel um das mathematische Phänomen gelöst. Das in dieser Hinsicht Wichtigste: Ist ihre Verteilung völlig zufällig oder unterliegt sie gewissen Strukturen?

Der 1982 in Linz geborene Mathematiker Christoph Aistleitner vom Institut für Analysis und Zahlentheorie der Technischen Universität Graz ist den Geheimnissen der Primzahlen ein Stück näher gekommen. Er beschäftigte sich mit der Riemann'schen Zeta-Funktion des gleichnamigen deutschen Mathematikers, der im 19. Jahrhundert die Zahlentheorie revolutionierte. "Die Zeta-Funktion kodiert viele elementare Eigenschaften der Primzahlen", erklärt Aistleitner. "Möchte man etwas über ihre Verteilung herausfinden, muss man sich mit Riemanns Ansatz beschäftigen."

Besonders relevant ist die Zeta-Funktion dort, wo ihr Ergebnis den Wert Null ergibt – was von der sogenannten Riemann'schen Vermutung beschrieben wird und als größtes und berühmtestes ungelöstes mathematisches Problem der Gegenwart gilt. Für eine Lösung winkt etwa eine Millionenprämie vom Clay Mathematics Institute in Cambridge.

Dem Zufall auf der Spur

Auch wenn die Frage der Nullstellen weiterhin ein Geheimnis bleibt, konnte Aistleitner in seiner im Fachblatt "Mathematische Annalen" publizierten Arbeit eruieren, wo die Zeta-Funktion besonders hohe Werte ergibt. "Diese Werte zu identifizieren bedeutet nicht nur, dass die Funktion an diesen Stellen nicht null ergeben kann, sondern lässt auch Rückschlüsse darauf zu, ob in der Umgebung kleine Werte erwartbar sind", betont der Mathematiker, der für seine Forschung vor kurzem den Förderpreis des Landes Steiermark zugesprochen bekam.

Aistleitner versucht in seinen Ansätzen mithilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie dem Zufall auf die Spur zu kommen – in Bereichen, wo man ihn ad hoc nicht vermuten würde. Mit Methoden wie der Monte-Carlo-Simulation lassen sich auf diese Art Erwartungen in verschiedensten Bereichen – von Aktienkursen bis Versicherungsschäden – abbilden. 2015 wurde ihm für die "Probabilistischen Methoden in Analysis und Zahlentheorie" der Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF verliehen.

Aistleitners Karriere steuerte nicht von Anfang an auf Grundlagenforschung zu. "Ich hatte schlechte Mathematiknoten im Gymnasium und wählte das Studium, weil es auch ein Freund tat", blickt er zurück. Erst als er entdeckte, dass Mathematik "in hohem Grad ein Kreativberuf ist", wurde sie für ihn zum Faszinosum. "Dahinter steht die Frage, welche geistigen Mittel man anwenden kann, um ein bestimmtes Problem zu lösen", so Aistleitner.

Die Gefahr, dass er zu sehr in abstrakte mathematische Welten abdriftet, besteht trotzdem nicht. Seine Familie, die bereits bei den jeweils einjährigen Forschungsaufenthalten nach Australien und Japan dabei war, sei ein "ausreichender Gegenpol". Aistleitner: "Meine drei Kinder – sie sind zwischen zwei und sechs Jahre alt – holen mich nach der Arbeit sofort auf den Boden zurück." (Alois Pumhösel, 21.5.2018)