Donald Glover alias Childish Gambino im Video zum Song "This Is America".

Screenshot youtube

Donald Glover überschreitet für viele gerade eine Grenze. Während die einen die des guten Geschmacks verletzt sehen, sehen ihn andere die Grenze vom Star zum Superstar durchbrechen. Zumindest im Schwarzen Amerika. Berühmt ist er sowieso.

In der Studenten-Sitcom Community spielte er ab 2009 den abgedrehten Charakter Troy Barnes. Es folgten Auftritte in Ridley Scotts Der Marsianer, im letzten Spider-Man, und jetzt ist er im demnächst anlaufenden Star Wars-Ableger Solo: A Star Wars Story zu sehen.

Weil das nicht auslastet, führt Glover seit 2016 Regie, schreibt das Drehbuch und spielt die Hauptrolle in der US-amerikanischen TV-Serie Atlanta. Für die regnet es Auszeichnungen, die ist ein Hit.

Der Musiker

Auftritt Childish Gambino: Unter diesem Namen veröffentlicht Glover seit 2009 Musik. Mehrere Mixtapes und drei reguläre Alben waren es bisher, eines empfing gar Grammy-Würden. Damit zählt Glover mit seinen 34 Jahren zu einer neuen Riege schwarzer Unterhaltungsstars. Seine Musik tauchte in den Playlists der Obamas auf, er kennt Janelle Monáe – und ist, wie sie, so gar nicht kuschelig.

Das zeigt das Video zu seinem Song This Is America. Mit diesem ist er seit Tagen in den Schlagzeilen. Es ist momentan die heiße Kartoffel in einer anhaltenden Gesellschaftsdebatte in den USA. Deren Zutaten sind Alltagsrassismus, Polizeigewalt und die daraus resultierende Protestbewegung Black Lives Matter. Es geht um zu lockere Waffengesetze und das Sinnbild für all jene Dinge, die Amerika daran hindern, great zu werden: Donald Trump.

Alltag – aus den Fugen geraten

Das Video hält zurzeit bei knapp 130 Millionen Zugriffen, Tendenz rasant steigend. Es zeigt einen inszenierten Kopfschuss – ein Chor muss dran glauben, Childish Gambino tänzelt dazu – am Ende ist er auf der Flucht. Es ist hart, aber auf eine Weise überzeichnet, die man als Satire bezeichnen könnte – würde einem das Lachen nicht im Halse stecken bleiben.

ChildishGambinoVEVO

Der in einer Lagerhalle aufgenommene Clip übersteigert, was einem die Nachrichten oder Facebook immer öfter ins Leben spült: Bilder aus einem aus den Fugen geratenen Alltag. Alte schwarze Damen werden wegen Lappalien von weißen Cops aus Autos geprügelt, schwarze Teenager erschossen, weil sie im falschen Moment zum Handy greifen – und immer dokumentiert das jemand mit dem Smartphone.

Pop-Produkt

Glovers Video formt daraus ein eindringliches Statement voller Anspielungen. Einmal gibt er den tänzelnden Michael Jackson, dann deutet er Jim Crow an. Das ist eine von Weißen ins Lächerliche gezogene schwarze Kunstfigur, die zur Chiffre des Südstaatenrassismus wurde.

Glover ist ein Produkt der Popkultur mit einer politischen Agenda. Aufgewachsen ist er in Georgia, mit Hip-Hop, den Simpsons und MTV – aus diesem Pool filtert er mit großer Virtuosität schwarze Kultur und montiert daraus ein Kunstwerk.

Afroamerikanische Kulturtechnik

Dieses Mixing ist so etwas wie eine afroamerikanische Kulturtechnik mit Wurzeln in der Versklavung. Aus dem wenigen, was blieb, und dem wenigen, zu dem verschleppte Afrikaner in Amerika Zugriff hatten, entstand die afroamerikanische Kultur. Ohne deren Einfluss würde es Pop, wie wir ihn kennen, nicht geben. So wie Hip-Hop am Beginn alte Soul- und Funk-Musik nach Samples durchforstet hat, collagiert Glover sein Video aus dem Abbild der schwarzen Kultur in Musik, Film und den Nachrichten.

Auf diese Art entstand auch sein Album Awaken, My Love! (2016). Dessen Cover zitiert die Plattenhülle des berühmten Funkadelic-Albums Maggot Brain, die Musik ist bis an die Grenze des Strebertums ein Abbild des psychedelischen Soul der 1970er: eine Mischung aus politischer Message und privaten Eindrücken, wie der damals anstehenden Geburt seines Sohnes.

Nummer eins in den Charts

Bemühte Glover für Awaken, My Love! die Vergangenheit, befindet er sich mit This Is America wieder in der Gegenwart. Der Song ist ein Stück Trap Music, das ihn über die immense Popularität des Videos diese Woche an die Spitze der US-Charts brachte.

Mit dieser ausgemergelten Spielart des Hip-Hop erreicht Glovers Message die Generation Smartphone. Daraus wird vielleicht keine neue Bürgerrechtsbewegung. Doch wenn ein Bruchteil seines Publikums zu den nächsten Wahlen geht, könnte das mehr als nur das Zünglein an der Waage sein.

Neue alte Message

Wie zurzeit kein zweiter spielt Glover mit dem Katalog der afroamerikanischen Kultur, verwebt Klischees und Geschichte, Sein und Schein. Waren es früher aufrüttelnde Reden, sind es heute aufrüttelnde Videos, die an jene Mission erinnern, die immer noch unerfüllt ist: die Gleichberechtigung. Es ist das alte Lied von Funkadelic, in dem es heißt "Free your mind and your ass will follow". Frei übersetzt bedeutet das: Ändere dein Denken, und deine Handlungen werden folgen. (Karl Fluch, 16.5.2018)