Die geplante Nordostumfahrung mit Lobautunnel.

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Wien – Die Rue de Lobau, in der sich das Hintertürl des Pariser Rathauses befindet, erinnert daran, dass eine verlorene Schlacht noch keinen verlorenen Krieg bedeutet. Denn der Schlacht bei Aspern, nach der sich der damals erstmals geschlagene Napoleon im Mai 1809 wochenlang in die Lobau zurückzog, folgte die Schlacht bei Wagram, in der Napoleons Truppen bekanntlich doch noch Erzherzog Karls Armee besiegten.

209 Jahre später: Auch die Gegner des Lobautunnels fühlen sich noch nicht besiegt – obwohl das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am Mittwoch grünes Licht für das seit vielen Jahren umstrittenste Verkehrsprojekt der Bundeshauptstadt gab. Mit dem Entscheid ist die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) positiv abgeschlossen. Ein Drei-Richter-Senat hat die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Bestätigung der UVP abgewiesen. Die Asfinag will folglich schon im kommenden Jahr mit dem Bau des insgesamt 19 Kilometer langen S1-Abschnitts beginnen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat grünes Licht für den Bau des Wiener Lobautunnels gegeben.
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Zur Erinnerung: Die Wiener Außenring-Schnellstraße S1 soll im Endausbau in einem östlichen Halbkreis um Wien herumführen und die Stadtautobahnen entlasten. Der Streit betrifft den letzten, noch nicht umgesetzten Abschnitt zwischen dem Knoten Schwechat und Süßenbrunn, der auch den Lobautunnel betrifft. Die Kostenrechnung für die Wiener Nordostumfahrung beläuft sich auf aktuell 1,9 Milliarden Euro. Laut Asfinag sind bis dato 82 Millionen Euro in den S1-Lückenschluss geflossen – etwa je zur Hälfte für den Erwerb nötiger Grundstücke beziehungsweise für Planung und Erkundung.

Viele Auflagen

Die Richter haben ihrem Okay zahlreiche Auflagen für den Lückenschluss beigefügt. Die Verbesserungsaufträge betreffen vor allem die Fachbereiche Hydrologie und Grundwasser sowie Schalltechnik (Lärm). Konkret muss zum Beispiel lärmmindernder Waschbeton für alle Fahrbahnen verbaut werden, außerdem darf in bestimmten Abschnitten nur werktags zwischen sechs und 19 Uhr gebaut werden. Fixinstallierte Beregnungsanlagen müssen Baustraßen möglichst staubfrei halten.

Außerdem soll es eine "präzise Vorschreibung von Maßnahmen" geben, wenn "im Betrieb die prognostizierte Verkehrsnachfrage im untergeordneten Straßennetz überschritten wird", schreiben die Richter vor. Als geeignete Maßnahmen werden Tempolimits oder Lkw-Fahrverbote angeführt.

Die Auflagen sieht Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation Virus als Erfolg der insgesamt zehn Beschwerdeführer gegen die UVP. "Die Unterlagen mussten massiv überarbeitet und eine Projektänderung vorgenommen werden", so Rehm.

Vassilakou: "Milliardengrab"

Doch insgesamt ist die BVwG-Entscheidung doch eine verlorene Schlacht für die Umweltschützer – und natürlich auch für die Wiener Grünen, die sich im Gegensatz zum großen Stadtregierungsbruder SPÖ immer klar gegen das Tunnelprojekt ausgesprochen haben. Daran hat sich auch nach der BVwG-Entscheidung nichts geändert: Wiens Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou erneuerte am Mittwoch ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Lobautunnel. "Auch wenn es jetzt einen UVP-Bescheid mit 17 Seiten Auflagen gibt: Das Projekt ist und bleibt ein Milliardengrab, ein teures Prestigeprojekt, und es gefährdet den Nationalpark." Mit dem Tunnel würden Milliarden an Steuergeld verschwendet werden, die besser für den Öffi-Ausbau und Investitionen in die Bahn eingesetzt werden sollten. Vassilakou: "Wir werden weiter gegen das Projekt auftreten und dafür kämpfen, dass das Aktionsprogramm für bessere Öffis, für flächen- deckende Parkraumbewirtschaftung und Verkehrsberuhigung in den Bezirken schnellstens umgesetzt wird." Sie ist sich sicher, dass Wien durch den Bau des Tunnels eine Verkehrslawine drohe. Jetzt müssen weitere Verfahren abgewartet werden, was möglicherweise weitere Jahre in Anspruch nehmen wird.

Sprengkraft für Stadtregierung

Der designierte Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich hingegen "hocherfreut". Das Projekt bringe eine deutliche Verbesserung und Entlastung für die Bewohner nördlich der Donau und sei "von enormer Bedeutung für den Wirtschafts- und Jobstandort Wien". Auch der Verkehrssprecher der Wiener SPÖ, Gerhard Kubik, blickt positiv in die Zukunft: "Mit dem Lobautunnel sichern wir 20.000 Arbeitsplätze. Das sind 20.000 starke Argumente." Hinzu kämen tausende kurzfristige Arbeitsplätze während der Bauphase.

In den nächsten Wochen wird sich zeigen, welche Sprengkraft der Lobautunnel in der rot-grünen Stadtregierung entfalten wird. Heute, Donnerstag, übernimmt Ludwig die Agenden von seinem Vorgänger Michael Häupl.

Für Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) ist das Projekt "ein weiterer Meilenstein für ein wirkungsvolles Verkehrssystem für die Ostregion". Der Bau der S1 entlaste die Ostautobahn A4, die Wiener Südosttangente A23 und bringe ein Plus an Verkehrssicherheit, "weil der starke Lkw-Verkehr aus den Ortsdurchfahrten verdrängt und auf dem hochrangigen Streckennetz gebündelt wird", sagte der Verkehrsminister.

Experten nicht einig

Zuletzt waren sich auch unabhängige Experten nicht einig über die Notwendigkeit des Lobautunnels. Eine klare Empfehlung dafür gab es in einer Studie vom Österreichischen Institut für Raumplanung. In einer TU-Verkehrsanalyse wurden hingegen der Öffi-Ausbau und ein flächendeckendes Parkpickerl empfohlen.

Tunnelgegner Wolfgang Rehm denkt hingegen schon an die nächsten Schlachten: Als Nächstes würden insgesamt sieben Materienverfahren, die teilweise noch gar nicht beantragt wurden, folgen. Anträge betreffend Wasserrecht und Naturschutz gebe es nur für den Nordabschnitt der S1, nicht jedoch für den Lobautunnel. Nicht auszuschließen sei auch ein Gang zu einem der Höchstgerichte. (Michael Simoner, 23.5.2018)