Biennale-Kommissärin Verena Konrad.

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"Wenn Architekten eine Idee ausformulieren, dann tun sie dies meistens im Tun und im Entwerfen, aber das ist zu wenig. Wenn Architektur eine gesellschaftliche Dimension haben soll, dann muss man auch in der Lage sein, die eigene Arbeit zu versprachlichen. Und da sehe ich ein großes Defizit." Die Worte der heurigen Kommissärin des österreichischen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig, die dieser Tage ihre Pforten öffnet, fallen auf die rot-weiß-rote Architektenschaft nieder wie ein unbarmherziges Schafott.

Schon als Kind, erzählt Verena Konrad, 1979 in Oberösterreich geboren, sei sie für die schönen Dinge sensibilisiert worden. Kunst, Kultur und Architektur spielten in der Familie eine große Rolle, zumal ihr Vater, ein bautechnischer Zeichner, ein Leben lang davon träumte, selbst Architekt zu werden.

Nachdenken und kritisches Hinterfragen

Doch mehr als zum physischen Bauen drängte es die Kuratorin, Theoretikerin und Kulturmanagerin, die Geschichte, Kunstgeschichte und Theologie studiert hat und seit 2013 das Vorarlberger Architekturinstitut Vai in Dornbirn leitet, zum Nachdenken und kritischen Hinterfragen. "Architektur und Design werden heute von Rationalisierung und Effizienzstreben beherrscht. Umso wichtiger ist es, dass Gestalterinnen und Gestalter, um das soziale und kulturelle Tun reflektieren zu können, Theorien und Konzepte zur Hand haben."

Kein Wunder, dass eines Tages der damalige Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) anrief und ihr die Biennale anbot. "Ich neige nicht unbedingt zu Überschwänglichkeit", erinnert sich die 39-Jährige, "also habe ich im Moment des Gesprächs begonnen nachzudenken, wie ich die Gelegenheit wahrnehmen kann."

Es ist fast schon ein ungeschriebenes Gesetz, dass die österreichischen Kommissäre ihr Pouvoir auf ein interdisziplinäres Dreierteam aufdröseln. Fast ein bisschen schade, dass sich die im Denken so radikale Konrad dieser Tradition beugt. Eine singuläre Position ohne Pluralismus wäre ungleich spannender und denkanregender gewesen.

"Das sehe ich nicht so", entgegnet die zweifache Mutter und leidenschaftliche Marathonläuferin. "In der österreichischen Kulturpolitik gibt es viele Schwachstellen. Und die werden wir nur dann lösen können, wenn wir vielschichtig und gesamtgesellschaftlich denken." Ihr Ansatz verlangt Disziplin und Durchhaltevermögen. Den großen Venedigtest hat sie damit schon jetzt bestanden. (Wojciech Czaja, 24.5.2018)