Vier Fototermine binnen zweier Stunden: Die Regierungsriege rund um Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache bewies beim Auftakt ihrer Klausur im Hotel Schlosspark in Mauerbach Sinn für das Wesentliche.

Foto: Newald

Doch die Inszenierung artete noch in Arbeit aus. Am Ende des Treffens wollen ÖVP und FPÖ eine neue Regelung für die Mindestsicherung gefunden haben.

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Kickl, Strache, Kurz und Blümel: Auch in Mauerbach werden Fluchtrouten geschlossen. Diesmal hat man die über Albanien im Auge.

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Sonntagnachmittag im Schlossparkhotel: Kanzler und Vizekanzler vor der Presse – wieder einmal.

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Mauerbach – Das Frühwarnsystem war nicht eingeplant. Wann immer unten eine schwarze Limousine durch das Tor in den Park rollt, ist auf dem Hügel matt, aber doch ein Pfeifkonzert zu hören. Ein paar Dutzend Gewerkschafter haben sich links und rechts der Einfahrt postiert, um gegen den Umbau der Sozialversicherung zu demonstrieren. "Hände weg von der AUVA", ist auf Schildern und Transparenten zu lesen, oder: "Sozialabbau ist keine Reform."

Bei der Regierungsklausur in Mauerbach zeigen sich ÖVP und FPÖ über die Entstehung einer neuen Balkan-Flüchtlingsroute besorgt. Man wolle die Lage genau beobachten.
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Die Dissonanzen bleiben auf die Akustik beschränkt. Die Regie hat die Kameraleute vorsorglich ein Stück weiter oben vor dem Hotelportal postiert, wo blühende Rosenstöcke statt wütender Demonstranten den eintrudelnden Ministern eine Kulisse bieten – und auch sonst sind alle Unabwägbarkeiten ausgelotet. Eine Stunde zuvor hat Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal das von Sicherheitsleuten durchsetzte Areal mit seinem Team abgeschritten, der durchgetaktete Zeitplan beweist Sinn für das Wesentliche: vier Fototermine in den ersten zwei Stunden.

Die Wienerwaldgemeinde Mauerbach – ländlich und doch nicht Einschicht – haben ÖVP und FPÖ für ihr Treffen am Sonn- und Montag auserkoren. Bekannt ist der Ort für die ehemalige Kartause, doch mönchische Bescheidenheit ist nicht die Zier dieser Koalition. In der Vorwoche wuchs der von Experten als begrenzt substanzieller Eingriff bewertete Umbau der Sozialversicherung in türkis-blauen Worten zur größten Reform der Zweiten Republik, nun gilt es die beschlussfertige Klimastrategie als Meilenstein zu preisen.

Klimaschutz mit Tempo 140

Das Wetter – Sommerhitze im Mai – fügt sich in die Inszenierung, über den Verkehrsminister hingegen lässt sich streiten. Eben hat Norbert Hofer angekündigt, Tempo 140 auf manchen Autobahnen einzuführen. Wie das zum Klimaschutz passt? "In Zukunft werden wir mit Wasserstoff fahren", glaubt Hofer zu wissen, und mit der Bahn fahre ja auch jeder gern schneller: "Wir müssen uns von alten Denkmustern lösen."

Ob der Ausstieg aus Ölheizungen oder der Umstieg auf erneuerbare Stromquellen bis 2030: Vieles, was da aufgetischt wird, hat das Publikum schon genossen, doch die Präsentation in mehreren Gängen ist die Spezialität der Regierung. Jeden Brocken filetiert sie in Häppchen, um den Medien permanent etwas zum Verdauen zu bieten. Serviert wird das oftmalig Durchgekaute mit neuer Garnitur, im Fall der Klimastrategie: Zu den bekannten Zielen gesellt sich der Plan, Klimaschutz in die Schullehrpläne aufzunehmen.

Ein neues Rezept will die Regierung bei ihrer Klausur auch finden. Geplant ist eine neue Regelung der Mindestsicherung, um diese notfalls den Bundesländern per Grundsatzgesetz vorzuschreiben. Über die Zutaten – eine Begrenzung der Leistung bei 1500 Euro, weniger Geld für Neuankömmlinge im Land – wären sich ÖVP und FPÖ schon einig, wenn es nicht diese lästigen Bedenkenträger gäbe. In Versuchslabor Niederösterreich hat der Verfassungsgerichtshof eben solche Regelungen als unsachlich aufgehoben.

Dem Vernehmen nach will es zumindest die ÖVP nicht mit Augen-zu-und-durch versuchen. Statt der gewünschten Deckelung sollen gestaffelte Kinderzuschläge wie etwa in Vorarlberg im Gespräch sein – je mehr Nachwuchs, desto weniger Leistung. Für den geplanten Passus, wonach der volle Bezug einen Aufenthalt im Ausmaß von fünf der letzten sechs Jahre voraussetzt, wird ein rechtlich korrekter Dreh gesucht.

Derart mühselige Fragen sollen den Auftakt am Sonntag nicht stören. Perfekt funktioniert die Signalkette der Mitarbeiter des Bundespressedienstes per Handzeichen ("in drei Minuten spielbereit"), schon spaziert die Regierungsriege zwanglos plaudernd zum Familienfoto heran – im Zentrum natürlich der Kanzler und sein, gemessen am Hemd, etwas ungebügelterer Stellvertreter.

Warnung vor Ansturm

Als Heimspiel legen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache auch das folgende Statement an. Eine neue Balkanroute für Flüchtlinge über Albanien tue sich auf, die Frequenz bis Mai sei gegenüber 2017 um 145 Prozent gewachsen. Es gebe keinen Grund für Alarmismus, sagt Kurz, nicht ohne zu warnen, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederholen dürfe. Diesmal werde die Regierung keinem Massenansturm nachgeben, denn: "Wenn der politische Wille da ist, die grüne Grenze zu schließen, ist es einfacher, als wenn es keinen politischen Willen gibt." (Gerald John, 28.5.2018)