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Die Märkte werden von der Regierungskrise in Italien durchgerüttelt.

Foto: AP/Angelo Carconi

Die Märkte werden von der italienischen Regierungskrise ordentlich durchgerüttelt. Für Leute, die den Finanzmarkt weniger am Radar haben, mag das nicht von allzu großem Interesse sein. Doch die aktuellen Turbulenzen können weitreichende Folgen haben. Daher lohnt ein Blick darauf, wie groß die Ansteckungsgefahr für die Eurozone sein könnte.

· Der Krisenherd Die Achillesferse Italiens sind die hohen Staatsschulden im Volumen von 2,3 Billionen Euro oder 130 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zur Erinnerung: Die Währungsunion hat sich eigentlich eine Obergrenze von 60 Prozent verordnet. Die wird zwar deutlich verfehlt, die durchschnittliche Verschuldung der Euroländer von knapp 90 Prozent zeigt aber, dass das Problem Italiens gravierend ist. Nur Griechenland hat im Verhältnis zum BIP höhere Außenstände.

· Der Zünder Diese Situation ist keineswegs neu, der große Anstieg der Verschuldung erfolgte in den 1970er- und 1980er-Jahren. Neuen Zund hat die Gefahr durch das Programm der mittlerweile gescheiterten Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung erhalten. Die Rücknahme von Pensionsreformen oder die Einführung eines Grundeinkommens könnten die Verschuldung weiter anheizen, so die Befürchtung an den Märkten. Dazu kamen EU-kritische Positionen. Viele Investoren befürchten nun, dass Neuwahlen die beiden populistischen Parteien stärken und somit zu einer Neuauflage der Koalition führen könnten.

· Die Brandgefahr Die Nervosität hat einen alten Teufelskreis wieder in Bewegung gesetzt. Banken hängen von Staaten ab und umgekehrt. Weil das Risiko einer Schieflage Italiens gestiegen ist, muss das Land höhere Zinsen auf Kredite zahlen. Dazu gegengleich sinken die Kurse der Staatsanleihen. Die größten Kreditgeber Italiens sind die Banken des Landes. Ihre Forderungen sind – gemessen an den Kursen der Papiere – nun deutlich weniger wert. Daher fallen auch die Finanzaktien besonders stark. Aktuell lässt sich das Engagement der Banken nicht genau beziffern. Aus dem letzten EU-weiten Stresstest 2016 ging hervor, dass die fünf größten Banken auf Staatsanleihen im Wert von 180 Milliarden Euro saßen.

Die Renditen von Staatspapieren zischen in die Höhe.

Experten gehen davon aus, dass das Volumen in der Zwischenzeit dank Wertpapierkäufen der Europäischen Zentralbank gesunken ist. Das Risiko wurde also auf die Währungsunion verlagert. Freilich wird von der italienischen Notenbank betont, dass die Banken – darunter mit Unicredit die Mutter der Bank Austria – heute viel besser mit Eigenkapital ausgestattet und somit deutlich stabiler als nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 sind.

· Der Flächenbrand Richtig ungemütlich würde es, wenn sich die Euro-Austrittstendenzen verstärken sollten. Einerseits könnte das Land dann seine Euroschulden nicht mehr bezahlen, weil eine Rückkehr zur Lira mit einer massiven Abwertung verbunden wäre. Andererseits wäre auch das große Loch in der Zahlungsbilanz der Euro-Notenbanken kaum zu stopfen: In diesem sogenannten Target-2-System belaufen sich die Forderungen gegen Italien auf knapp 450 Milliarden Euro. "Schon jetzt sind die Schulden Italiens längst zu einem großen Teil europäische Schulden", heißt es dazu beim Bankhaus Krentschker.

Trotz der Nervosität an den Märkten ist die Euro-Austrittswahrscheinlichkeit derzeit gering. Raiffeisen Research bewertet sie mit höchstens acht Prozent. 2012 lag dieser Wert bei 60 Prozent. Derzeit überwiegt die Einschätzung, dass die EZB zum Feuerlöschen ausrücken würde. (Andreas Schnauder, 30.5.2018)