UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein kritisiert in seiner Rede auf der Menschenrechtskonferenz in Wien die Rolle Österreichs: "In diesem Land – welches angesichts der historischen Rolle Karl Luegers besser als andere die Gefahren ethnischer Spaltung kennen sollte – wurden falsche und hetzerische Äußerungen getätigt, die fundamental im Widerspruch zur Erklärung von Wien stehen."

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Dass der scheidende UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein den Auftakt zur Jubiläumsfeier der Weltkonferenz über Menschenrechte dazu nutzte, den wachsenden Populismus in Österreich zu kritisieren, war wohl nicht vorgesehen. Eine Hochglanz-Inszenierung für die Bundesregierung hätte das Jubiläum im Wiener Rathaus letzte Woche werden sollen. Fotos von Regierungsmitgliedern mit allem, was auf dem diplomatischen Parkett Rang und Namen hat, hätten gemacht werden sollen. Die erneute Kandidatur Österreich für den UN-Menschenrechtsrat hätte medienwirksam beworben werden sollen.

Aber so ganz ließ sich der schöne Schein dann nicht aufrechterhalten: Denn während die österreichische Bundesregierung sich für ihr Engagement für Menschenrechte feiert, sobald eine Kamera in der Nähe ist, höhlt sie in der Praxis rechtsstaatliche Strukturen und internationale Vereinbarungen systematisch aus. Und das bleibt nicht unbeobachtet – UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein hat bereits Kritik an Österreich geübt.

Abschiebezahlen als Maßstab

Die bisherige Politik der Regierung gegenüber Asylwerbern und das Fremdenrechtsänderungspaket, das noch vor dem Sommer durchs Parlament gepeitscht werden soll, zeigen exemplarisch: Von internationalen, menschenrechtlichen Normen hat sich die türkis-blaue Regierung verabschiedet. So sind für den Innenminister hohe Abschiebezahlen und Symbolpolitik, die Ressentiments nährt, die einzigen Maßstäbe.

Das Non-refoulement-Gebot etwa, also die Verpflichtung, Personen nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen Folter oder unmenschliche Behandlung drohen, scheint nicht mehr absolut zu gelten. In Verfahren, die Afghanistan betreffen, stützt sich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) regelmäßig auf Gutachten eines einzigen Sachverständigen, die Berichten des UNHCR, des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) und anderer einschlägiger Organisationen widersprechen, die in Afghanistan Gefahr für Leib und Leben sehen. Auch einstweilige Verfügungen des UN-Menschenrechtsausschusses, einem der ältesten UN-Menschenrechtsorgane, in Bezug auf Rücküberstellungen von Asylwerbern in andere EU-Staaten werden ignoriert. Keine innerstaatliche Rechtsgrundlage, heißt es aus dem Innenministerium. Hier wird das absolute Folterverbot ignoriert. Ein Tabubruch.

Österreichs Pflichten

Das Asyl- und Fremdenrecht, das seit einigen Jahren fast schon im halbjährlichen Rhythmus novelliert und dadurch kaum noch zu vollziehen ist, muss nun wieder für überschießende oder symbolhafte Verschärfungen herhalten. Jugendliche Asylwerber profitieren nun außerdem nicht mehr von den Erleichterungen des Jugendstrafrechts im Bezug auf die Rechtsfolgen von Verurteilungen. Dies steht, wie auch vom Außenministerium zugegeben, im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention.

Die geplante Erschwerung der Einbürgerung von Asylberechtigten wiederum ist mit den Pflichten Österreichs aus dem Genfer Flüchtlingsabkommen nicht vereinbar. Das Grundversorgungsgesetz sieht bereits jetzt vor, dass Asylsuchende, die ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können, keinen Anspruch auf staatliche Unterstützung haben. Trotzdem soll Schutzsuchenden nun auch mitgeführtes Bargeld abgenommen werden. Dass eine solche Maßnahme mit dem Grundrecht auf Eigentum nur schwer vereinbar ist, sagen das UNCHR, die Richtervereinigung und die Rechtsanwaltskammer. Darüber hinaus würde der Verwaltungsaufwand sogar die Mehreinnahmen übersteigen. Diese Liste an kritischen Argumenten lässt sich lange fortführen. Interessieren werden diese Expertenmeinungen die Regierung, wie schon bei den vorangegangenen Novellierungen, allerdings wenig.

Zu guter Letzt soll die Rechtshilfe in Asylverfahren verstaatlicht werden. Ob das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet bleibt, wenn dieselbe Behörde oder Ministerium sowohl die Entscheidung als auch die Rechtsvertretung in Asylverfahren übernimmt, ist mehr als fraglich.

Der schöne Schein

Wenn Österreich aber tatsächlich im UN-Menschenrechtsrat sitzen möchte und sich während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft kein Vertragsverletzungsverfahren einhandeln will – in anderen Worten: auf dem internationalen Parkett ernst genommen werden will –, muss die Regierung ihre Handlungen an ihre Sonntagsreden heranführen. Denn wie die österreichkritische Rede von Said Raad al-Hussein gezeigt hat: Lange lässt sich der schöne Schein nicht mehr aufrechterhalten. (Stephanie Krisper, 1.6.2018)