Neben der Behandlung einer Depression ist die Prophylaxe mindestens genauso wichtig. Das heißt: Verhindern, dass sie wiederkehrt, denn das Risiko dafür ist relativ groß.

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Depression ist ein weitverbreitetes Phänomen: In Österreich erkranken bis zu einem Fünftel aller Menschen im Laufe ihres Lebens daran. Es gibt zwei Zeitspannen, in denen das psychische Leiden besonders häufig vorkommt: zwischen 30 und 45 Jahren – hier doppelt so oft bei Frauen wie bei Männern – und ab 65 Jahren. Vor allem im Alter hat die Depression oft einen schweren, langwierigen Verlauf. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt Depression nach Herz-Kreislauf-Problemen als jene Erkrankung, die am meisten Leiden verursacht.

Die gute Nachricht: Die Lage ist nicht aussichtslos, es gibt Hilfe. In welchem Ausmaß das möglich ist, hängt von den Ursachen und den Symptomen ab. "Es gelingt aber bei allen Menschen eine Symptomreduktion, sodass sie wieder ein gutes Leben führen können", erklärt Wolfgang Aichhorn, Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (Christian-Doppler-Klinik) am Uniklinikum Salzburg.

Zu den häufigsten Symptomen einer Depression zählen eine gedrückte, traurige Stimmung, Hoffnungslosigkeit und Antriebsschwäche. "Unter den zahlreichen weiteren möglichen Symptomen ist für die Betroffenen die Schlafstörung meistens subjektiv am belastendsten", weiß Aichhorn. Diese lasse sich in der Regel aber gut in den Griff bekommen, was allgemein zu einem erholteren Lebensgefühl führe.

Restsymptome können bleiben

Ist eine Depression gänzlich heilbar? Aichhorn beantwortet die Frage mit einem Ja. Medikamente und Psychotherapie könnten zur Symptomfreiheit von Betroffenen führen – in diesem Fall bestehe auch die Depression nicht mehr. Es können aber Restsymptome bleiben, zum Beispiel körperlicher Art, etwa Magen-Darm-Probleme, Kopf- oder Rückenschmerzen. Außerdem Müdigkeit, Antriebslosigkeit oder Lustlosigkeit.

Der Mediziner fügt dem Ja allerdings ein großes Aber hinzu: Neben der Behandlung im Hier und Jetzt sei die Prophylaxe mindestens genauso wichtig. Das heißt: verhindern, dass die Depression wiederkehrt. Das Risiko dafür ist nämlich relativ groß. "Innerhalb der ersten zwei Jahre liegt es bei rund 50 Prozent", sagt Aichhorn.

Je häufiger ein Mensch eine depressive Phase hat, umso höher ist die Gefahr, erneut zu erkranken – ein Teufelskreis. Nimmt die Depression chronische Züge an, ist sie schwer in den Griff zu bekommen und bedarf spezieller Behandlungsmethoden. Gerade deshalb ist die Prophylaxe in der ersten depressiven Phase wichtig. "Gelingt es, eine erneute Depression zu verhindern, dann ist es durchaus möglich, dass die Erkrankung nie wieder auftritt, und der Mensch gilt als geheilt", fasst es Aichhorn zusammen.

Schwelle sinkt

Warum das Risiko einer Wiedererkrankung mit jeder weiteren depressiven Phase steigt, ist schwer zu beantworten. Generell kann gesagt werden: Eine Depression kommt nicht aus heiterem Himmel, sie hat vielfältige Ursachen und meist ein relevantes Lebensereignis als Auslöser. "Durch diese Stressfaktoren kommt es zur Verschiebung von Neurotransmittern, besonders Serotonin, aber auch Noradrenalin und Dopamin spielen dabei eine Rolle", erklärt Aichhorn. Je häufiger die Depression wiederkehrt, umso weniger sind Auslöser relevant, die Schwelle sinkt.

Erfahrungsgemäß lasse sich die erste Episode einer Depression bei der Hälfte bis zwei Dritteln der Patienten sehr gut behandeln, so Aichhorn. Bei rund einem Drittel gestalte sich die Therapie schwieriger, sei aber trotzdem von Nutzen. Um die Neurotransmitter wieder ins Gleichgewicht zu bringen, werden Antidepressiva eingesetzt. Bis die Medikamente wirken und die Symptome verschwinden, dauert es in der Regel mehrere Wochen. Neben der medikamentösen Behandlung ist eine psychotherapeutische Gesprächstherapie üblich. Zusätzlich kann eine psychosoziale Beratung nötig sein, zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit oder Konflikten in der Familie.

Um nach der ersten Depression eine Wiederkehr der Erkrankung und damit das Risiko eines chronischen Leidens zu verhindern, sei eine frühzeitige und konsequente Behandlung das Um und Auf. Dazu gehöre es auch, die Betroffenen über die Erkrankung, die Behandlungsdauer und die Nebenwirkungen ausreichend aufzuklären. Denn auch nach Abklingen der Symptome sei die Medikamenteneinnahme noch über einen längeren Zeitraum als Prophylaxe notwendig.

Resilienz stärken

Neben Medikamenteneinnahme und Psychotherapie sollten Betroffene auch selbst aktiv werden, um einer erneuten depressiven Phase entgegenzuwirken. Dazu gehört zu lernen, die inneren Abwehrkräfte und damit die Resilienz zu stärken. Das gelingt zum Beispiel durch Achtsamkeitsübungen oder Beziehungspflege. "Denn wenn es gelingt, unter bestimmten Stressbedingungen die Stressachsen selbst zu kontrollieren, dann wird die Anfälligkeit für eine Depression deutlich geringer", erklärt Aichhorn. Auch eine gesunde Lebensführung mit ausreichend Bewegung wirke sich positiv aus und könne der Prävention dienen.

Wie bereits erwähnt, gilt die chronische Depression als sehr schwer therapierbar. Auf Antidepressiva und Gesprächstherapien sprechen die Betroffenen zumeist nicht an. In schweren Einzelfällen wird auf das Medikament Ketamin oder eine Elektrokrampftherapie gesetzt. Aber auch bei chronisch depressiven Menschen gibt es mittlerweile gute Erfahrungen mit positiver Beziehungsgestaltung. Seit knapp zwei Jahren ist in Österreich ein Konzept im Einsatz, das heilsame Beziehungserfahrungen als zentrales Element hat.

Das in den USA entwickelten Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy – kurz CBASP – wird an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin am LKW-Universitätsklinikum Graz angewendet. In drei Stufen werden die Betroffenen unter aktiver Einbeziehung von Pflegepersonen, Ergo- und Physiotherapeuten, Psychotherapeuten und Sozialarbeitern dabei unterstützt, ihre Vergangenheit zu bewältigen und Lösungen zu erarbeiten. (Maria Kapeller, 2.6.2018)