Wien – Am Ende haben sie doch noch geheiratet. Obwohl das zu Beginn noch ganz anders ausgesehen hat. Denn Conchita Wurst, die bei der Eröffnung des 25. Life Balls am Wiener Rathausplatz Fräulein Maria aus dem Film "The Sound of Music" verkörperte, stand in ihrem weißen Hochzeitskleid mit Krönchen auf dem Kopf und blondem Bart im Gesicht auf der riesigen Bühne – aus gezeichneten Salzburger Wiesen und Bergen mit Edelweiß bestückt – und war grantig.

DER STANDARD

Ihr Zukünftiger, Herbert Föttinger in der Rolle des Barons von Trapp, tat vor dem in einer lila Robe gekleideten Pfarrer, Männer in Kleidern als unnatürlich ab. "Der Pfarrer trägt doch auch ein Kleid", war Conchitas bestürzte Reaktion. "Das ist mir doch nur so rausgerutscht", versuchte ihr Liebhaber zu beruhigen. Doch die Hochzeit war vorübergehend auf Eis gelegt: "Es kann nur rausrutschen, was auch wirklich in einem drinnen ist", antwortete Maria – und erntete großen Applaus.

Die Braut, die sich nicht traut: Conchita ist sich nicht sicher.
Foto: Christian Fischer

Schon beim Eröffnungsdialog war somit klar – es wird eine Show, bei der politische Botschaften nicht ausgespart werden.

Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) ging während seiner Rede schließlich auf das – auch unter den Gästen – umstrittene Motto "Eine Homage an The Sound of Music" ein: Es sei ein Film, der außerhalb Österreichs bekannter ist, als hierzulande. Dadurch sende er aber eine "große Botschaft in die Welt" – eine "Botschaft des Singens, des Tanzens, und unserer Heimat." Im Jahr 2018 müsse man dem Anschluss gedenken, eine Zeit "aus Hass und Intoleranz". Heute gehe es darum, eine "Botschaft der Demokratie, der Freiheit und der Toleranz" in die Welt zu senden. "Das tut der Life Ball seit 25 Jahren." Aus dem Publikum erhielt Blümel jedoch nicht nur Zuspruch, sondern auch Buh-Rufe.

Conchita erinnert an Flucht

"Es ist Deutschtümelei, oder eben Österreichtümelei", kritisierten zwei Ballgäste aus Deutschland das Motto des Abends. Trotzdem stehe der Ball für mehr als das und sei ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen HIV/Aids, so die Männer in Gold und Glitzer. Viele Gäste nutzten das Motto jedoch, um ihre Dirndln und Lederhosen auszuführen – in mehr oder weniger auffälliger Ausführung.

Conchita als Maria Kutschera versetzte sich dann während der zweistündigen Show ins Jahr 1927 zurück und wagte einen Blick in die Zukunft – ins Jahr 2018: "Dann würde ich zurückblicken auf Flucht. Auf ein Leben als Flüchtlingsfamilie, die in einem neuen Land Fuß fassen musste." Die Familie Trapp habe Hitler den Rücken gekehrt, aber nicht der Kultur, der Heimat. Davon konnte auch ein Urenkel von Georg Trapp erzählen, der sich in einem Brief an das Team des Life Ball wandte und bei der Eröffnungsshow daraus vorlas.

Klassisch österreichisch: Blasmusik und Edelweiß.
Foto: Christian Fischer

Föttinger konterte, er würde zurückblicken auf den Grund, weswegen der Platz sieben Jahre lang den Namen Adolf-Hitler-Platz trug. Er würde 2018 zurückschauen auf eine Stadt, die "sich von dem Verlust an geistiger und schöpferischer Kraft nie mehr ganz erholt hat". In einer kurzen Showeinlage wurde dann jenen Personen gedacht, die die Stadt in jener Zeit verlassen mussten, unter anderem Sigmund Freud und Karl Popper.

Insgesamt wurde bei der heurigen Eröffnung weniger gesungen – eine prominente Ausnahme gab es mit Patti LaBelle ganz zu Beginn – und mehr über das eigentliche Thema gesprochen. "Der Kampf gegen HIV/Aids ist real. Es ist kein Problem der 1980er Jahre. Auch wenn es kein Todesurteil mehr ist", erklärte etwa Olympiamedaillengewinner Gus Kenworthy. Oscarpreisträger Adrien Brody erklärte, man müsse weiter daran arbeiten, die Diagnose zu entstigmatisieren. Um mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen, war Brody mit dem "Amfar EpicRide"-Motorrad-Konvoi, dem etwa auch "Battlestar Galactica"-Darstellerin Katee Sackhoff angehörte, von Zürich nach Wien gefahren.

Keszler blickte zurück

Life-Ball-Organisator Gery Keszler wurde bei der 25. Ausgabe dann etwas sentimental. Er könne sich noch an die erste Ausgabe des Charity-Balls erinnern. "Es war eine andere Zeit und ein anderes Wien", sagte Keszler. Damals brannten 1.000 Fackeln im Arkadenhof des Wiener Rathauses. Gesammelt wurden rund 70.000 Euro für Projekte im Kampf gegen HIV/Aids. "Es war eine laue Frühsommernacht. Aber es war etwas anders", erinnerte sich der Ball-Organisator: "Es ist etwas passiert, wir waren nicht still, wir waren nicht schüchtern. Wir haben unsere Trauer zu Power verwandelt, unsere Wut zu Mut und unsere Verzweiflung wurde zu Liebe zum Leben." Er habe sich damals zum Ziel gesetzt, dass "wenn jemand von unseren Freunden stirbt, dann nicht mehr leise. Wir waren Außenseiter, aber haben die schönste Party gefeiert."

Doch der Life Ball sei nie eine Party "des Festes wegen" gewesen, sondern es sei "um etwas gegangen". Weil es Geld gebraucht habe – für Prävention gegen HIV/Aids, Akuthilfe, gegen soziale Isolation "und auch für Begräbnisse", erzählte Keszler bei der Eröffnung. Seither habe der Life Ball zwei Mal die Zwei-Millionen-Euro-Spendenmarke geknackt.

Nicht Häupls letzter Ball

Unterstützung habe er vom damaligen Bürgermeister Helmut Zilk (SPÖ) erhalten, der ihm das Rathaus zur Verfügung gestellt habe. Seither öffnete Michael Häupl (SPÖ) 22 Mal das Rathaus für den Life Ball. Dass dies heuer nach der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Michael Ludwig (SPÖ) sein letzter Ballbesuch sei, verneinte Häupl jedoch und bekam dafür großen Applaus: "Wer sagt, dass jetzt Schluss ist? Ich werde ab jetzt bei der Eröffnung nicht mehr hier oben, sondern irgendwo dort unten stehen."

Auch für Ludwig war es nicht der erste Life Ball. "Aber diesmal ist es ein besonderer, weil es mein erster als Wiener Bürgermeister ist. Es ist ein schönes und sinnliches Fest mit ernstem Hintergrund. Werden uns dem auch in Zukunft widmen", erklärte Ludwig, der den Ball auch 2019 im Rathaus haben will.

Debütantinnen kamen im Nonnenoutfit.
Foto: Christian Fischer

Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) besuchte den Life Ball, um zu zeigen "wie wichtig" ihr die Gesundheitsvorsorge sei. "Ich freue mich, dass das Ministerium den Ball unterstützt", so Hartinger-Klein, die die Besucher bat, "euren Status zu überprüfen, das ist sehr einfach. Natürlich kenne ich meinen Status."

Wien, wie es ist

"Ist es Zeit zufrieden zu sein? Ja, aber nicht Zeit sich zufrieden zu geben", resümierte Keszler. Denn auch heute infizieren sich noch 5.000 Menschen mit HIV. "Der Weg, der hier vor 25 Jahren begonnen hat, in anderer Zeit und in einem anderem Wien, den hätten wir nie ohne unserem wunderbaren Wien beginnen können. Aber man muss auch Fragen: Würde es Wien auch so geben, wenn es den Life Ball nicht gegeben hätte?"

Nach der Modeschau, bei der 25 große Modehäuser von Jean Paul Gaultier über Alberta Ferretti, Missoni, Roberto Cavalli bis hin zu Vivienne Westwood ihre Kreationen für den "schönsten Tag des Lebens" zeigten, kam dieser schließlich auch für Fräulein Maria und Georg Trapp – inklusive Hochzeitskuss. (Lara Hagen, Oona Kroisleitner, 2.6.2018)