Wladimir Putin stellte sich den Fragen von Armin Wolf.

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Das Interview kann eine der interessantesten Ausdrucksformen im Journalismus sein – ebenbürtig dem geschliffenen Essay oder dem spitzen Leitartikel. Es kann deutlich machen, was der oder die Befragte zu sagen hat – oder zu verschweigen.

Ein fataler Fehler wäre es, die Chance auf ein seltenes Interview mit Russlands Präsident Wladimir Putin auf die leichte Schulter zu nehmen; zu glauben, das werde bloß eine gemütliche Plauderstunde. Das bekam vor einigen Jahren Jörg Schönenborn zu spüren: Der Chefredakteur des Westdeutschen Rundfunks (WDR) war offenkundig unzureichend vorbereitet, plötzlich fand er sich im brandgefährlichen Minenfeld wieder – während Putin leise in sich hineinlächelte.

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Eine solche Blöße gab sich ORF-Anchorman Armin Wolf am Montagabend in der "ZiB Spezial" nicht. Bestens präpariert, sehr konzentriert, teilweise auch hartnäckig fragte er an und nach, hakte ein. Doch Treffer landete er keinen: keine unangenehme Frage, die vom Befragten nicht umgehend infrage gestellt worden wäre, zumeist mit freundlich-mahnend zur Schau gestellter Ungeduld. Kein Ausfall, der nicht sofort pariert worden wäre. Highlight: "Wenn Ihnen meine Antworten nicht gefallen, dann stellen Sie doch keine Fragen!" Uff.

Egal ob es um russische Hacker, Nordkorea, die Ukraine, die Krim, Syrien, die FPÖ oder um autoritäres Regieren ging: Putin erwies sich als stets alerter Fechtpartner, der erklärtermaßen stolz ist auf seine Urlaubsfotos mit nacktem Oberkörper – na klar: ein Symbol der Kraft, der Virilität, der Macht.

Nach 52 Minuten war alles zu Ende, und im Gegensatz zu seinem WDR-Kollegen trug Wolf keine Blessuren davon – zumindest keine sichtbaren. (Gianluca Wallisch, 5.6.2018)