BWB-Leiter Theodor Thanner und ORF-Onlinechef Thomas Prantner.

Foto: APA/Heinz Punz

Wien – Ein "österreichisches Facebook", davon träumen nicht nur Puls-4-Chef Markus Breitenecker und Infodirektorin Corinna Milborn, auch Medienminister Gernot Blümel hält so ein Projekt bekanntlich für "anstrebenswert". Aber ist so eine Kooperation kartellrechtlich überhaupt möglich? Theodor Thanner, Leiter der Bundeswettbewerbsbehörde, würde "vom Gefühl her ja sagen". Über eine gemeinsame österreichische Video-Plattform müsse er noch nachdenken, sagte Thanner bei der Medienenquete am Donnerstag.

Auch dem netID-Projekt könne Thanner etwas abgewinnen. Die von RTL, ProSiebenSat.1 und United Internet gegründete Allianz forciert ein übergreifendes Registrierungs- und Anmeldesystem für Website-Nutzer. Das System steht in Konkurrenz zu Google und Facebook, die ebenfalls solche Funktionen zur Verfügung stellen. Logins seien notwendig, da die bevorstehende E-Privacy-Verordnung die Verwendung von Cookies empfindlich einschränke. Das Modell sei "durchaus wettbewerbsfördernd, wenn man sich die anderen Giganten anschaut", sagte Thanner.

ORF

Thanner will "Kartellrecht neu denken"

Im digitalen Zeitalter müsse man "Kartellrecht neu denken", denn "die digitale Welt macht nicht am Walserberg halt". In der Kartellrechtsszene stehe er mit dieser Ansicht eher alleine da. Auch wenn er Kooperationen positiv gegenübersteht, kann es eine "Einheitszeitung" oder "Einheits-TV" aber so wenig geben wie ein "Einheitsmöbelhaus".

ORF-Onlinechef Thomas Prantner wünscht sich "Kooperation statt Konfrontation" und eine gemeinsame TVthek für alle Sender. Das Projekt könne auch "Österreich-Player" heißen. Wegweisend dafür sei die "Austria Video Plattform" über die der ORF anderen Medien Videos zur Verfügung stellt. Auch eine Radiothek mit Privatsendern könne er sich vorstellen – auch hier sei er offen für andere Namensvorschläge.

"Wir rammen uns die Messer in den Rücken"

Eine gemeinsame TVthek werde nicht reichen, glaubt Corinna Milborn. "In schrumpfenden Märkten rammen wir uns die Messer in den Rücken, weil der Kuchen kleiner wird. Die Konkurrenz in so einem kleinen Markt wird die Branche umbringen", sieht die Puls-4-Infochefin düster die Zukunft. "Wenn das so weitergeht, wird es in zehn Jahren keinen Journalismus mehr geben." Man müsse Geld in Forschung und Entwicklung stecken und gemeinsam an einem europäischen Medium arbeiten, dass besser als "Facebook 2" sei und sich an europäische Regeln halte. Gegen Google und Facebook könne nur eine europäische Allianz antreten. Die Kooperation betreffe auch Archivmaterial: Dass der ORF sein Material kostenlos auf Facebook hochlädt, Puls 4 aber 1.000 bis 1.200 Euro pro Minute verrechne, bezeichnet sie als "absurd".

"Im ORF-Archiv schlummern Schätze", sagt Niki Fellner, Geschäftsführer von oe24. Bevor diese Schätze "dahinvegetieren", soll das ORF-Archiv für andere Medien, und auch Start-ups geöffnet werden. "Das geht nicht, dass ihr mit dem Einkaufswagerl reingeht und ohne zu zahlen rausgeht", kontert Prantner. Selbst wenn das Parlament beschließt, das Archiv zu öffnen, sieht er wettbewerbsrechtliche Probleme.

"Heute"-Herausgeberin Eva Dichand wünscht sich eine Vermarktungsallianz. Damit sollen die Preise erhöht werden, bis sie ein faires Niveau erreicht haben. Die Werbepreise im öffentlich-rechtlichen Fernsehen will sie verdoppeln – oder die Werbezeit halbieren. (pp, 7.6.2018)