Fake-News, politische Einflussnahme oder Marktverdrängung: Etablierte Medien sehen sich an mehreren Fronten bedroht.

Illustrationen von Felix Grütsch

Illustration: Felix Grütsch

Österreich hat nunmehr, das ist nicht zuletzt das Verdienst des zuständigen Ministers Gernot Blümel, seine eigene, durchaus differenzierte Mediendiskussion. Neu an der Debatte ist nicht zuletzt, dass die Euphorie über die neuen digitalen Medien einer Ernüchterung gewichen ist, so etwa wenn ein Teilnehmer der Enquete sich die Frage stellte, ob es nicht einen Zusammenhang zwischen dem Aufstieg autoritärer und illiberaler Regime und der Digitalisierung der Welt gebe. Zwischen der naiven Erwartung einer grenzenlosen digitalen Freiheit und den falschen Versprechungen direkter Demokratie besteht ein innerer Zusammenhang. Dabei geht es nicht zuletzt um die Kontrolle und Regulation diverser Sorten von Macht: medialer, ökonomischer, politischer.

Der Meinungsumschwung ist bemerkenswert, wurden noch vor einigen Jahren soziale Medien beinahe messianisch als Träger einer neuen Form von Demokratie gepriesen, in der jeder sein eigener Journalist ist. Das ist dem Bild eines neuen medialen Kapitalismus gewichen, in dem Akteure wie Google und Facebook ein in der Wirtschaft wie in der alten Medienwelt unvorstellbares Machtmonopol besitzen und Europa wie ein mediales Dritte-Welt-Land erscheinen lassen.

Die neue Mediendiskussion überschneidet sich mit einer alten Debatte, mit jener über die Zukunft des ORF. Es ist kein Zufall, dass sich die neue Bundesregierung kurz vor Beginn der Übernahme der Ratsführerschaft mit einer medialen Initiative in der EU profilieren möchte, zugleich wird sie von der heimischen Medienrealität eingeholt.

Die schöne digitale Welt bedeutet eine Herausforderung für die demokratische Politik. Zweifelsohne stellen Zeitungen, Radio und Rundfunk, von denen die neuen Medien parasitär leben, eine verlässliche Grundlage für eine liberale repräsentative Demokratie dar, in der beide Seiten, die Medien und die Politik, Verantwortung tragen. Die digitalen Medienbetreiber, die ökonomisch prächtig davon leben, neu geschaffene virtuelle Räume von globalen Nutzern bespielen zu lassen, weisen diese ebenso von sich wie die Populisten aller Herren Länder.

Die Verbreitung von Falschmeldungen und Verschwörungsnarrativen, die Beleidigung von Menschen(gruppen), das mediale Monopol weniger globaler Akteure oder die schamlose Propaganda für Gewalt sind in diesem faktisch rechtsfreien Raum an der Tagesordnung. Sie rufen nach politischen Antworten, die durchzusetzen dem medial ohnmächtigen Europa schwerfällt.

Aber damit kommen ganz unerwartet jene medialen Akteure ins Spiel, die bei der Enquete nicht zuletzt als Korrektive und Garanten einer nachhaltigen Zivilgesellschaft angesehen wurden, der Qualitätsjournalismus und vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die Tatsache, dass Medien wie der ORF eine unverzichtbare Basis für eine funktionierende Demokratie sind, steht in einem unübersehbaren Missverhältnis zu der Tatsache, dass zumindest eine Regierungspartei dem ORF tendenziell feindlich gesonnen ist und nicht recht weiß, wie sie mit Österreichs medialem Flaggschiff umgehen soll.

Argwohn der Autoritären

Die Forderung der FPÖ, die "Zwangsgebühren" abzuschaffen und bestimmte Kompetenzen auf die privaten Betreiber zu übertragen, weist auf eine Strategie hin, ihn zu schwächen, weil man ihn offenkundig nicht so ohne weiteres politisch übernehmen kann. Wie in so vielen westlichen Ländern besteht nämlich zwischen den neuen autoritären Bewegungen und der liberalen Medienwelt ein Gegensatz. Autoritäre Politik mag es nicht, wenn ihr widersprochen wird, das eint so unterschiedliche Politiker wie Trump, Putin, Erdogan, Orbán und die FPÖ. Ihre Antwort darauf ist der Versuch, Medien mit allen Mitteln in den Griff zu bekommen.

Die Angst vor einer medialen Orbánisierung Österreichs mag auch rhetorisch sein. Ganz unbegründet ist sie auch mit Seitenblick auf den Boulevard nicht. Je länger die aktuelle Regierung sich an der Macht hält, umso größer wird die Versuchung sein, diese durch medienpolitische Intervention abzusichern. Das schließt freilich die Möglichkeit eines Konfliktes zwischen den beiden Partnern ein. Um einer solchen Entwicklung einen Riegel vorzuschieben, wäre es angeraten, den einmaligen Status des ORF in einem Volksentscheid zu bestätigen und ihn den heutigen Gegebenheiten anzupassen.

Die Erneuerung des öffentlich-rechtlichen Status sollte zu einem weitgehenden Rückzug der Politik führen und es dem ORF ermöglichen, ungehindert im digitalen Bereich aktiv zu werden. Eine heimische Medienpartnerschaft, von der bei der Enquete die Rede war, ist nur denkbar mit einem politisch gestärkten öffentlich-rechtlichen Medium wie dem ORF, einer Agora, auf der nicht politische und kulturelle Hegemonie generiert, sondern fairer und offener Streit um diese ausgetragen wird. Eine mediale Gegenmacht gegen die digitalen globalen Giganten wird indes nur im europäischen Maßstab möglich sein. (Wolfgang Müller-Funk, 8.6.2018)