Kennen Sie den? Der Vorstandschef von Deutschlands größtem Verlagskonzern geißelt seine Branche und die Journalisten, die "nicht mehr entlang der Fakten, sondern von Wunschvorstellungen" berichteten. Derselbe Vorstandschef hat seine Rede eingeleitet mit dem Befund: Demokratien der Mitte "taumeln" überall auf der Welt verunsichert und gehen noch den Weg zum Populismus und zur einfachen Lösung. Als einzige Ausnahmen von diesem Populismustrend lobt der Vorstandschef drei Länder: Kanada, Frankreich und Österreich. Hier werde "ein neuer Politikstil definiert".

Dieser Vorstandschef ist Mathias Doepfner vom bekannt konservativen deutschen Verlagsriesen Springer, oberster Boss etwa von "Bild" und "Die Welt". Und er war einer der Branchenstars bei der Medienenquete der Regierung.

Die Enquete ist ein Ausdruck dieses Politikstils und nicht ganz neu. Eine Enquete veranstaltete auch die erste ÖVP-FPÖ-Regierung 2001 vor ihrem neuen ORF-Gesetz, um damit die Führung des ORF abzulösen. Und bevor sie in Österreich, nach jahrzehntelanger Blockade, bundesweites Privatfernsehen zuließ. Und bevor sie endlich eine Medienbehörde einrichtete, um diesen Markt zu regulieren.

Um größere bürgerlich-freiheitliche Umbauarbeiten einzuleiten, war die Medienenquete am Donnerstag und Freitag also nicht ganz neu. Aber in einer neuen Dimension professionell, breit und beeindruckend inszeniert, besetzt und organisiert. Und sie brachte bemerkenswerte Gemeinsamkeiten und Erkenntnisse. Gemeinsamkeiten kamen zu wesentlichen Teilen nach Minister Gernot Blümels Wünschen schon im Vorfeld der Enquete in Schwung, wie gemeinsame Plattformen österreichischer Medien für Werbevermarktung oder einen Log-in-Standard.

Wenn Blümel die Enquete inhaltlich bei den geplanten Gesetzen und Maßnahmen so ernst nimmt, wie er sagt, dann brachten die Branchen- und Expertenrunden im Wiener Museumsquartier einige klare Leitlinien: keine Budgetfinanzierung des ORF statt GIS-Gebühren. Selbst ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker will an Tag zwei dem ORF keine Gebühren mehr wegnehmen. Google, Facebook und Co sollen Verantwortung für ihre Inhalte übernehmen, für ihre Einnahmen in Österreich vergleichbare Steuern zahlen, ähnlich reguliert werden wie heimische Medien. Und: Österreichs Medien wie die Niederlassungen deutscher Konzerne in Österreich rufen nach mehr öffentlicher Förderung angesichts der Konkurrenz von Google, Facebook, Amazon und Netflix.

Nun könnte die Regierung mit der Vernunft und Weitsicht ihrer Gesetze für den ORF und seine Unabhängigkeit, für Google-Besteuerung, Facebook-Verantwortung und Medienförderung beeindrucken. Der Überraschungseffekt wäre ihr nach den Lügen- und beleidigten GIS-Postings der FPÖ über den ORF, der ersten Etappe des Personalumbaus auf dem Küniglberg und den Verbalattacken auf ORF-Journalisten gewiss. Sonst bleibt die Enquete nur eine Stilfrage. (Harald Fidler, 8.6.2018)