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Diyanet-Chef Ali Erbaş (links, hier mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan) will den Einfluss der Türkei vergrößern.

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Ankara – Die nationale Fluglinie der Türkei wirbt gern mit einem Rekord. Keine Gesellschaft fliegt so viele Destinationen in der Welt an: 229 Städte in 118 Ländern, heißt es auf Plakaten. Nur das staatliche türkische Religionsamt möchte noch weiter ausgreifen. Diyanet, der unter anderem die Türkisch-Islamische Union in Österreich (Atib) untersteht, will Turkish Airlines schlagen.

In 130 Ländern der Welt werde die türkische Religionsbehörde Diyanet ihre Imame schicken, kündigte deren Chef Ali Erbaş vor zwei Monaten erst an. 106 Länder sind es derzeit. Österreich ist auch dabei – aber bald wohl schon mit etwas schmalerer Präsenz der staatlich bezahlten Vorbeter. Finanzierungen aus dem Ausland untersagt das österreichische Islamgesetz, aktuell droht bis zu 40 Atib-Vorbetern die Ausweisung aus Österreich.

Vier Behörden vergrößern Einfluss

Ankara predigt in den Moscheen von Sarajewo bis Los Angeles und von Karatschi bis Nouakchott. Diyanet ist eine der vier Maschinen, die den Einfluss der Türkei in der Welt vergrößern und die Interessen der konservativ-islamischen Regierung durchsetzen soll. Die anderen sind Tika (türkische Behörde für Entwicklungszusammenarbeit), YTB (Amt für Türken im Ausland) und Deik (Rat für Außenwirtschaftsbeziehungen).

Diyanet war eigentlich gegründet worden, um Moscheen und islamische Glaubensgemeinschaften in der Türkei unter staatliche Kuratel zu stellen. "Ab nach Europa!" war die Losung der säkularen Republik vom Kemal Atatürk: Hut statt Fez, Rock statt Kopftuch, neuer Vor- und Nachname für jeden statt geografischer und religiöser Bezeichnungen.

Seit Tayyip Erdoğan das Land regiert, hat sich das geändert. Der fromme Machtpolitiker machte Diyanet zum Instrument für die Islamisierung der Gesellschaft und für die Anbindung der Türken im Ausland an seine Regierung.

National-islamistisch

2010 ging der letzte als politisch liberal geltende Leiter von Diyanet. Ali Bardakoglu hatte sich mehrfach mit Erfolg gegen die Versuche Erdoğans gewehrt, das Religionsamt für politische Zwecke einzuspannen.

Bardakoglus Nachfolger Mehmet Görmez erwies sich als biegsamer. Görmez, der wie Erdoğan aus der national-islamistischen Bewegung des Millî Görüs kommt, wurde zu einem "Parteisoldaten", wie seine Kritiker heute sagen. Doch Görmez tat laut Erdoğan zu wenig gegen die Unterwanderung der größer werdenden Behörde durch Anhänger des Predigers Fethullah Gülen. Im September 2017 löste ihn Erdoğan ab. Görmez' Nachfolger Ali Erbaş untersteht direkt dem Präsidentenpalast.

90.000 Moscheen weltweit

Mehr als 115.000 Bedienstete soll Diyanet nun zählen. 90.000 Moscheen und 120.000 Imame in der Türkei und aller Welt unterstehen dem Religionsamt in Ankara. Ein Budget von offiziell 6,8 Milliarden Lira wies der türkische Rechnungshof zuletzt für das Jahr 2016 aus – damals umgerechnet noch rund 2,4 Milliarden Euro. Die deklarierten Überweisungen von Diyanet ins Ausland, die im Haushalt aufgelistet waren, nahmen sich klein aus: 423.196,50 Lira – rund 150.000 Euro.

Doch das Netz von Diyanet im Ausland ist mit Stiftungen und Vereinen wie Atib sehr viel weiter gespannt. Zumindest die Personalunion des Religionsbeauftragten der türkischen Botschaft in Wien und des Atib-Präsidenten gibt es in Österreich seit dem Islamgesetz nicht mehr. (Markus Bernath, 10.6.2018)