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Für Mazedonien könnte nun bald der Weg in EU und Nato frei sein. Den hatte Griechenland blockiert.

Foto: Reuters / Ognen Teofilovski

Am frühen Abend spazierte Alexis Tsipras ins Nachbarhaus in der Irodou Attikou zur Residenz des Staatspräsidenten und verkündete die frohe Botschaft. "Ich habe gute Nachrichten", sagte der griechische Premier. "Wir haben eine Übereinkunft!" Der Auftritt bei Staatspräsident Prokopis Pavlopoulous wirkte ein wenig gestellt und linkisch für die Live-Übertragung im Fernsehen – doch er war gleichwohl historisch. Griechenland und Mazedonien haben nach 26 Jahren Streit um den Namen der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik eine Lösung gefunden. "Unsere Nachbarn werden den Namen Republik Nord-Mazedonien ("Severna Makedonija") haben", sagte Tsipras.

Die Beilegung des Namensstreits bedeutet für Mazedonien den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der EU und den Beitritt zur Nato. Für Griechenland wäre es ein bedeutender Beitrag zur politischen Stabilisierung des Balkan – und für die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras ein erheblicher internationaler Prestigegewinn. Doch die Einigung muss erst in beiden Ländern durchgesetzt werden. Spielverderber gibt es auf beiden Seiten – und zwar reichlich.

Eine Stunde lang hatte Tsipras am Dienstagnachmittag mit seinem mazedonischen Kollegen Zoran Zaev telefoniert. Auch am Montag hatten die beiden linken Regierungschefs lange miteinander gesprochen. Danach verdichteten sich die Zeichen, dass die politischen Führer in Athen und Skopje nach monatelangen Verhandlungen und immer wieder geplatzten Erfolgsmeldungen nun doch in die Zielgerade eingebogen sind. Vordergründig geht es um den Namen des kleinen ex-jugoslawischen Balkanstaats und das geeignete Adjektiv, das festschreiben soll, dass Mazedonien nicht identisch mit der nordgriechischen Provinz Makedonien sei und auch keine territorialen oder andere Ansprüche im Nachbarland Griechenland erhebt.

Diverse Namensvarianten

Ober-, Neu- oder Vardar-Mazedonien waren zuletzt im Rennen; Vardar ist der Fluss, der im Nordwesten Mazedoniens entspringt. Für Griechenlands Partner in der EU und der Atlantischen Allianz schien der Namensstreit um so schwerer zu begreifen, je länger er sich über die Jahre hinzog. Die heute in der Opposition sitzende nationalistische VMRO des langjährigen Regierungschefs Nikol Gruevski befeuerte den Namensstreit nach Kräften, in dem sie Denkmäler für Alexander den Großen errichtete und damit das antike makedonische Erbe für das heutige Mazedonien reklamierte. Dann kam Zoran Zaev im Mai 2017 an die Macht – ein Sozialdemokrat und ebenso alt wie Alexis Tsipras. Die beiden verstanden sich auf Anhieb.

Tsipras nannte die nun getroffene Abmachung während seines Besuchs beim Präsidenten wichtig und gut. So soll nicht nur ein geeigneter Namen gefunden worden sein: Die mazedonische Seite habe auch akzeptiert, dass dieser Name überall Anwendung findet – das Rechtsprinzip "erga omnes" – und nicht etwa nur in internationalen Verträgen. Skopje werde zudem Verfassungsartikel ändern, wie von Athen immer gewünscht.

Verfassungsänderung

Zaev appellierte am Dienstagabend an die Opposition, ihn zu unterstützen. Der mazedonische Premier wird versuchen, die Namens- und Verfassungsänderung durch einen Volksentscheid im Herbst annehmen zu lassen.

Tsipras wiederum machte am Dienstag klar, dass er einen Parlamentsentscheid anstrebt, nachdem Mazedonien seine Verfassung geändert hätte. Ein Referendum auch in Griechenland ist für Tsipras noch riskanter als eine Abstimmung im Parlament. Ebenso wie in Mazedonien stellen sich große Teile der orthodoxen Kirche auf die Seite der nationalistischen Gegner einer Lösung.

Tsipras’ Koalitionspartner, die rechtspopulistische Anel, kündigte an, nicht für eine Verhandlungslösung zu stimmen. Doch die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia ist in der Mazedonienfrage gespalten. Tsipras nutzt das jetzt schon weidlich aus. (Markus Bernath, 12.6.2018)