In der Frühen Neuzeit suchten sich Pestärzte mit Schnabelmasken, in denen sich unter anderem wohlriechende Kräuter befanden, vor einer Ansteckung zu bewahren. Das Alter der Beulenpest wurde, wie sich nun zeigte, weit unterschätzt.

Illustr.: Paul Fürst

Jena – Die nach dem oströmischen Kaiser des sechsten Jahrhunderts benannte Justinianische Pest gilt als eine der ersten bekannten Pandemien der Geschichte. Zwischen ihrem erstmaligen Auftreten im Jahr 540 und dem Ende des achten Jahrhunderts raffte sie im Mittelmeerraum in mehreren Wellen zwischen 25 und 50 Millionen Menschen dahin – heute schätzt man, dass ihr bis zu einem Viertel der damaligen Bevölkerung zum Opfer fielen. Dass der verursachende Erreger tatsächlich Yersinia pestis war, der auch im Mittelalter als "Schwarzer Tod" für Millionen Tote sorgte, konnte erst 2013 endgültig bestätigt werden.

Nun zeigt sich, dass dieses Pestbakterium bereits wesentlich früher in der Geschichte sein Unwesen trieb. Ein internationales Team um Maria Spyrou vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena hat zwei 3.800 Jahre alte Yersinia-pestis-Genome rekonstruiert, die auf eine bronzezeitliche Entstehung der Beulenpest hindeuten. Der jetzt identifizierte Stamm wurde in zwei Skeletten aus einer Doppelbestattung in der Region Samara im heutigen Russland entdeckt. Er ist der bislang älteste bekannte Stamm, der die Gene aufweist, die für die Beulenpest als charakteristisch gelten – und er ist Vorfahre aller heutigen Stämme, welche die Justinianische Pest, den Schwarzen Tod und die Pestepidemien des 19. Jahrhunderts in China auslösten.

Gefährlich bis in die Gegenwart

Die von Yersinia pestis verursachte Pest bedroht nach wie vor Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt. So kam es in Madagaskar im letzten Jahr zu einem Pestausbruch mit mehreren tausend Erkrankten. Trotz ihrer historischen und gegenwärtigen Bedeutung herrschen über Ursprung und Alter der Krankheit bis heute Unklarheiten. Insbesondere ist rätselhaft, wann und wo Yersinia pestis jene Gene erwarb, die es dem Erreger erlauben, Flöhe als Überträger zu nutzen.

Jüngste Untersuchungen von Yersinia pestis-Genomen früherer Epochen haben eine ausgestorbene Variante des Erregers identifiziert und auf das späte Neolithikum und die frühe Bronzezeit datiert. Dessen Genome weisen jedoch nicht die genetischen Merkmale auf, welche den Pesterreger besonders effizient machen – nämlich die Fähigkeit, in Flöhen zu überleben, was den Hauptübertragungsweg der Krankheit auf Menschen und andere Säugetiere darstellt. Ziel der nun im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichten Studie war es deshalb, weitere Yersinia pestis-Genome aus diesen Epochen zu analysieren, um herauszufinden, wann und wo diese entscheidenden Anpassungen stattfanden.

3.800 Jahre alter Pesterreger

In der Studie wurden insgesamt neun Skelette aus Gräbern einer Ausgrabungsstätte im heutigen Russland analysiert. Zwei der untersuchten Individuen waren zum Zeitpunkt ihres Todes mit Yersinia pestis infiziert. Beide wurden vor etwa 3.800 Jahren gemeinsam in einem einzigen Grab bestattet. Die Analyse der DNA zeigte, dass die Individuen wahrscheinlich der Srubnaya-Kultur angehörten, was mit den archäologischen Befunden übereinstimmt. "Beide Individuen waren mit dem gleichen Stamm von Yersinia pestis infiziert", erklärt Kirsten Bos vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, "und dieser Stamm weist alle genetischen Komponenten auf, die für die Beulenpest als charakteristisch gelten. Die Pest mit dem Ansteckungspotenzial, das wir heute kennen, gibt es demnach bereits viel länger, als wir bislang dachten. "

Mit Hilfe von Daten, die bei früheren Sequenzierungen von Yersinia pestis-Stämmen gewonnen wurden, berechnete das Forschungsteam das Alter der neu identifizierten Abstammungslinie auf etwa 4.000 Jahre. Damit tauchte die Beulenpest 1.000 Jahre früher auf als bisher bekannt. "Die Linie, die unsere Yersinia pestis-Isolate hervorbrachten, verfügte über alle notwendigen genetischen Eigenschaften für die effiziente Übertragung von Pest bei Nagetieren, Menschen und anderen Säugetieren", erklärt Spyrou. Damit legt die aktuelle Studie nahe, dass während der Bronzezeit in Eurasien mindestens zwei Pestlinien gleichzeitig zirkulierten und dass sie möglicherweise verschiedenes Übertragungs- und Ansteckungspotential besaßen. (red, 18.6.2018)