Die Asylsuchenden werden auf drei Schiffen über das Mittelmeer transportiert. Die Route musste wegen hoher Wellen geändert werden.

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Valencia ist bereit. Die spanische Mittelmeermetropole wartet auf die Ankunft der Aquarius sowie der beiden Begleitschiffe der italienischen Marine und Küstenwache. 629 Flüchtlinge befinden sich an Bord, darunter 123 Minderjährige, elf Babys und sechs schwangere Frauen. Sie werden aller Voraussicht nach am Sonntag eintreffen.

"Sie kommen zeitversetzt an", erklärt die spanische Vizeregierungschefin, die Sozialistin Carmen Calvo, die sich vor Ort befindet. Damit soll eine bessere Erstversorgung gewährleistet werden. Die Operation "Hoffnung Mittelmeer" wird vom Roten Kreuz in Zusammenarbeit mit den Behörden und mehreren NGOs durchgeführt. Spanien hatte die Aufnahme der Menschen angeboten, nachdem sich Malta und Italien weigerten, die Aquarius in einem ihrer Häfen anlegen zu lassen. Der italienische Innenminister Matteo Salvini beharrt unterdessen weiterhin auf seinem harten Kurs in Sachen Flüchtlinge: Er werde auch künftig NGO-Schiffen die Einfahrt in italienische Häfen verbieten, teilte Salvini per Facebook am Samstag mit.

"Radiografie der Betroffenen"

Als Empfangsgebäude dient der ehemalige Sitz des Segelregatta America's Cup 2007. Die Helfer von Ärzte ohne Grenzen an Bord der drei Schiffe übermittelten bereits das, was die stellvertretende Chefin der Regionalregierung in Valencia, Mónica Oltra, "Radiografie der Betroffenen" nennt.

Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Die Helfer im Hafen wissen genau, wer kommt und welche Hilfe benötigt wird. Besonders Augenmerk gilt allein reisenden Frauen, die im Laufe ihrer Flucht Opfer sexueller Gewalt geworden sind, und den Minderjährigen. Wenn sie ohne Eltern unterwegs sind, sollen sie in speziellen Heimen untergebracht werden.

Mehr als 400 freiwillige Helfer haben sich beim Roten Kreuz gemeldet. 800 Fremdsprachenkundige boten spontan ihre Übersetzerdienste an. Auf den Schiffen befinden sich Menschen aus 26 Nationen. Laut italienischer Nachrichtenagentur Ansa gelten zwei junge Migranten als vermisst. "Wahrscheinlich sind sie nach der schwierigen Rettungsaktion der Aquarius ertrunken", wird Ärzte ohne Grenzen zitiert. Die Organisation bezieht sich auf Aussagen Überlebender.

Lob für Zivilgesellschaft

"All das könnten wir nicht tun, wenn wir nicht eine Zivilgesellschaft hätten, die sich den humanitären Rechten verpflichtet fühlt und nicht will, dass unser Mittelmeer ein Massengrab wird", erklärt Oltra, Politikerin des linksalternativen Bündnisses Compromis, das gemeinsam mit den Sozialisten in Valencia regiert.

Die Überfahrt von Malta, wo die Aquarius bis zuletzt auf die Zuweisung eines Hafens wartete, ist alles andere als angenehm. Im Mittelmeer stürmt es mit bis zu 65 Stundenkilometern, und die Wellen sind bis zu vier Meter hoch. Das medizinische Personal muss Menschen versorgen, die seekrank sind. Um das Schlimmste zu vermeiden, haben die Schiffe ihre Route geändert.

Es werde keine Sonderbehandlung für die 629 Flüchtlinge in Spanien geben, bekräftigte Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Das heißt, die Flüchtlinge können Asylanträge stellen, die dann geprüft werden. Wer dies nicht tut, kann aus humanitären Gründe um Bleiberecht ansuchen. Unbegleitete Minderjährige dürfen bleiben, solange es nicht gelingt, ihre Familien ausfindig zu machen. "Wer die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt, gegen den wird ein Abschiebeverfahren eröffnet", beteuert der Minister.

Opposition macht Stimmung

Die spanische, sozialistische Regierung weiß, dass die Opposition das Thema nützen wird, um Stimmung zu machen. Es sei "eine humanitäre Ausnahme", die nicht zum "Normalfall werden darf", sagt der Chef der rechtsliberalen Ciudadanos, Albert Rivera. Rajoys Konservative werden deutlicher: Die Öffnung der Häfen für die Einwanderung sei "sehr gefährlich".

"Wir können die Zahl der Personen, die wir aufnehmen, erhöhen, um einfach nur das zu erfüllen, was wir abgemacht haben", entgegnet Außenminister Josep Borrell. Spanien stimmte unter der Vorgängerregierung 2015 der Aufnahme von 17.387 Flüchtlingen zu, die aus anderen EU-Ländern umgesiedelt werden sollten. Ende März 2018 wurden gerade einmal 2782 Flüchtlinge in Spanien aufgenommen. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.6.2018)