Gemeinsam mit Tschechien bastelt man derzeit in Oberösterreich an einer neuen Autobahn Linz-Prag, die irgendwann ab 2024 fertiggestellt werden soll. Es handelt sich dabei um das letzte fehlende Autobahnteilstück einer neuen Nord-Süd-Transitroute von Skandinavien über Berlin, Prag, Linz, den Balkan, bis in die Türkei, und lässt dementsprechend viel Verkehr erwarten. Aber auch der Güterfernverkehr aus Polen und dem europäischen Nordosten in Richtung Italien wird diese Strecke frequentieren. Offenbar hat man in Österreich mit einer Inntalautobahn nicht genug und wünscht sich nun auch in Oberösterreich unbedingt seine eigene Transit-Problemstrecke.

Neuer Transitkorridor: In rot die Transitrouten, in grau die Einzugsgebiete der Korridore.
Grafik: G. Ludwig

Der oberösterreichische Infrastrukturlandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) hat mit einem schnellen Blick auf die Landkarte die Situation richtig erkannt, und versucht nun, die seit Jahren verzögerten Planungsarbeiten zu einer neuen Linzer Ostumfahrung, die ihm sein Vorgänger Franz Hiesl (ÖVP) halbfertig überlassen hat, zu einem schnellen Ende zu führen. Als staugeplagter Linzer möchte man ihm dafür fast dankbar sein, ist die Situation doch durch die immer fortschreitende Zersiedelung im Linzer Umland und den im vorigen Jahrhundert stecken gebliebenen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, schon weit über die Grenze der Unerträglichkeit getreten. Deshalb soll nun nach dem Wunsch des Landesrats möglichst schnell eine neue Trasse für die geplante Ostumfahrung verordnet werden, um möglichst zügig, noch im Jahr 2024, mit dem Bau derselben beginnen zu können.

Komplette Fehlschätzung der Verkehrszahlen

Leider zeigte sich sehr bald, dass die Planungsarbeiten zur Linzer Ostumfahrung, die gemäß der Vorgaben aus der europäischen Umweltprüfungsrichtlinie unter Einbeziehung der Öffentlichkeit stattfanden, ziemlich an den realen Gegebenheiten vorbeiliefen. Denn im Gegensatz zur Wahrnehmung des zuständigen Landesrats, spielte der sich anbahnende Transitverkehr aus und nach Tschechien für die beteiligten Verkehrsplaner überhaupt keine Rolle. Ohne große analytische Vorarbeiten oder sachliche Begründungen schätzte man das zukünftige Transitaufkommen auf dem neuen Autobahnteilstück für die Jahre nach 2024 auf maximal 6.000 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden und einigte sich schließlich auf einen Korridor mitten durch das Stadtgebiet von Linz, da dieser für Pendler "am verkehrswirksamsten" sei. Dass es für das hier geschätzte Transitaufkommen eigentlich eine mittlere Landesstraße zweiten Rangs auch getan hätte, sei dahingestellt.

Das für 2024 prognostizierte Verkehrsaufkommen in Linz wurde vor zwei Jahren bereits übertroffen.
Foto: APA/dpa/Josef Reisner

Das Dumme an diesen Verkehrszahlen ist nur, dass nicht irgendwann nach 2024, wie von den Verkehrsplanern angenommen, sondern bereits im Jahr 2016 der Transitverkehr am Grenzübergang Wullowitz die Marke von 6.000 Kraftfahrzeugen sprengte, und seither um deutlich mehr als zehn Prozent pro Jahr zunimmt. Eine seriöse Untersuchung des zu erwartenden Transitverkehrsaufkommens auf der neuen Strecke hat nach Auskunft der zuständigen Landesplaner nie stattgefunden. Im öffentlich aufliegenden und mehrere hundert Seiten umfassenden Umweltbericht zum Trassenvorschlag wird das Transitverkehrsaufkommen gerade einmal in einem kurzen Absatz gestreift. All das wiegt umso schwerer, wenn man berücksichtigt, dass von der Asfinag in einem umfangreichen Verkehrsmodell das Transitverkehrsaufkommen nach Lückenschluss der Autobahn Linz-Prag auf mehr als 15.000 Kraftfahrzeuge pro Tag prognostiziert wird, davon mehr als 2.300 Lkw. Wie kann es sein, dass solche vorhandenen Verkehrsmodelle bei den Planungsarbeiten zur Ostumfahrung nicht berücksichtigt wurden?

Begründung für gewählte Trasse fällt in sich zusammen

Aufgrund dieser Planungsfehler fällt nun auch das Hauptargument für einen Trassenverlauf mitten durch das Stadtgebiet von Linz weg, denn der wurde ja nur deshalb aus vielen weiteren Vorschlägen gewählt, da das erwartete Transitverkehrsaufkommen auf der Strecke so massiv unterschätzt wurde. Für die Stadt Linz bedeutet dieser Vorschlag nun, dass sie in Zukunft – zusätzlich zu den Luftschadstoffen von Chemie, Industrie, Hausbrand und Pendlerverkehr – auch noch die Abgase des internationalen Güterfernverkehrs schlucken soll, der nach den Vorstellungen der Verkehrsplaner mitten durch dicht bewohnte Siedlungsgebiete von Linz gelotst werden soll.

Vom Land Oberösterreich vorgeschlagener Trassenverlauf der neuen Transitroute durch Linz.
Grafik: Michael Radhuber

Bald ein "Luft-30er" auf der Linzer Umfahrungs-Autobahn?

Nichtsdestotrotz soll nun also eine internationale Transitschneise mitten durch das Stadtgebiet von Linz, durch zwei ausgewiesene Luftsanierungsgebiete, dicht bewohnte Siedlungsgebiete im Süden von Linz, durch das Industriegebiet und unmittelbar angrenzend an das gesetzlich geschützte Natura-2000-Gebiet Donau-Traunauen führen. Wie das mit österreichischen und europäischen Gesetzen zur Luftreinhaltung, den Seveso-Richtlinien zum Schutz vor Chemieunfällen, oder den FFH-Richtlinien zum Schutz der Natura-2000-Gebiete in Einklang gebracht werden soll, darüber schweigt sich auch der vorgelegte Umweltbericht weitgehend aus. An spöttischen Vorschlägen mangelt es angesichts dieser Planungen jedenfalls nicht: Man könne es in Anlehnung an den "Luft-100er", aus dem in Salzburg ja bereits der "Luft-80er" wurde, einmal mit einem "Luft-30er" auf der neuen Linzer Ostumfahrung versuchen?

Offenbar setzt man auch bei der Linzer Ostumfahrung alle Karten auf die von der Bundesregierung angekündigten Gesetze zur "Verfahrensbeschleunigung" von strategisch wichtigen Projekten. Als gelernter Österreicher muss man sich darunter wohl Carte blanche, eine unbeschränkte Vollmacht, zum Verstoß so gegen ziemlich alle Schutzgesetze für Mensch und Natur vorstellen, die der Gesetzgeber in mehr als hundert Jahren Arbeit bislang auf die Beine brachte.

Neue Anlassgesetze für Fehlplanungen?

Doch selbst wenn es gelingen sollte, die österreichischen Gerichte nach dem Vorbild Ungarns so weit zu knebeln, dass niemand es mehr wagen sollte, irgendwelche von Politikern mehr schlecht als recht ausgegorene Projekte zu beeinspruchen, bleibt immer noch der europäische Gerichtshof. Und falls sich dieser von den Ideen der heimischen Verkehrsplanung nicht blenden lassen sollte, wird Linz auch lange nach 2024 noch ohne Linzer Ostumfahrung dastehen. Mit dem Resultat, dass sich der internationale Güterfernverkehr aus Prag seinen Weg über die Linzer Stadtautobahn, und quer durch das Zentrum von Linz suchen wird. Aber was soll's, könnte man meinen: Beim Linzer Westring ist mehr als 46 Jahre nach Projektierung noch immer kein einziger Bagger aufgefahren. Wenn man lange genug durchhält, erlebt man vielleicht noch die seit vielen Jahren überfällige Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene nach Schweizer Vorbild, und benötigt die Linzer Ostumfahrung gar nicht mehr.

Bis zum 29. Juni läuft in Oberösterreich noch das öffentliche Begutachtungs- und Konsultationsverfahren zum von der Landesregierung vorgeschlagenen Trassenverlauf dieser Transitstrecke durch Linz. Abseits jeglichen Zynismus besteht auch noch ein Funken Hoffnung, dass die von der EU vorgeschriebenen Bürgerbeteiligungsverfahren bei Verordnung des Trassenkorridors nicht nur zu einem weiteren Papiertiger werden, sondern von Politikern und "Experten" endlich auch einmal als Anlass und Chance zu Verbesserungen an ausgearbeiteten Projekten und Ideen wahrgenommen werden. Mehr als 1.300 Bürger haben im Rahmen der Initiative "Kein Transit in Linz" – der Blogger ist Mitinitiator dieser Initiative – bereits ihre Stimme zur Neuprüfung des vorzeitig ausgeschiedenen östlichen Korridors der Ostumfahrung erhoben. Ob sie gehört werden, wird sich erst zeigen. Zeit bliebe bis zum geplanten Baubeginn nach 2024 jedenfalls noch genug. (Michael Radhuber, 19.6.2018)