Bringt die Regierung den Zwölfstundentag durch, hat sie nicht nur eine zentrale Forderung der Großunternehmer umgesetzt, sondern auch den ÖGB de facto vernichtet.

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Die Landtagswahlen sind vorbei, und wie prognostiziert, macht die Regierung nun Ernst mit der Umsetzung auch der unpopuläreren Punkte des Regierungsprogramms. Und da fängt sie nicht mit irgendeinem Gesetz an, sondern mit einer Machtdemonstration, dem sogenannten Zwölfstundentag. Am Donnerstag per Initiativantrag vorgestellt und damit auf Begutachtungsfrist und Verhandlungen im Sozialausschuss verzichtend, macht die Regierung klar, wer anschafft. Bringt sie diesen durch, ist alles andere Kinderkram.

Die Industriellenvereinigung, die Wirtschaftskammer und die Großsponsoren von Sebastian Kurz fordern ihn schon lange, und der ÖGB und die Arbeiterkammer laufen bis jetzt nur Stürmchen dagegen. Für einen Sturm hat es noch nicht gereicht, weil die meisten Gewerkschafter gar nicht mehr wissen, wie so ein Sturm aussieht. Zu lange ist es her, dass die Gewerkschaft als Speerspitze der Hackler und Angestellten bedingungslos für die Interessen ihrer Mitglieder, zu denen ich mich auch noch zähle, eingetreten ist. Der letzte halbseidene Versuch war bei der Pensionsreform von Schwarz-Blau I, aber mehr als ein Streiktag war nicht drinnen. Solange die Regierung und ihre Sponsoren wissen, dass Streik eigentlich maximal Warnstreik bedeutet und nach einem Tag erledigt ist, kann man sich diesen auch gleich sparen.

Zentrale Errungenschaft

Aber warum müssen die Gewerkschafter und die Arbeitnehmer gerade bei diesem Gesetz hart bleiben? Weil das Vorhaben der Regierung eine der zentralsten Errungenschaften der Gewerkschafter und der Arbeitnehmer im Kern angreift: den Achtstundentag, der einiges mehr enthält, als nur die tägliche Normalarbeitszeit. So soll die Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden steigen, sprich der Chef kann jederzeit entscheiden, dass nun zwei Stunden mehr gearbeitet wird, und muss dies gar nicht mehr großartig begründen. Dasselbe gilt für die wöchentliche Höchstarbeitszeit, die gleich um 20 Prozent, von 50 auf 60 Stunden, steigt. Dass dies nicht zum Dauerzustand wird, verdanken wir der EU, denn die schreibt vor, dass die Wochenarbeitszeit von 48 Stunden im Durchschnitt von 17 Wochen nicht überschritten werden darf.

Solange die derzeitigen gesetzlichen Ruhestunden und -Tage eingehalten werden müssen, könnte man bei wohlwollender Betrachtung hier noch immer von Arbeitszeitflexibilisierung reden, wie die Regierung ihr Vorhaben nennt. Das wäre aber wirklich sehr wohlwollend, denn die von der Regierung ständig erwähnte Freiwilligkeit des Zwölfstundentages für die Arbeitnehmer findet sich im Gesetz nicht wieder.

Ans Eingemachte geht es aber bei den Zuschlägen für die elfte und zwölfte Stunde. Diese waren bis jetzt auf betrieblicher Ebene durch Sondervereinbarungen, die Arbeitnehmervertreter mit den Chefs verhandelt haben, geregelt. Nachdem der Zwölfstundentag künftig nicht mehr ein sogenannter Sondertagbestand, sondern ein Normalfall ist, muss dieser weder begründet noch durch Extrafreizeit oder finanzielle Zuschläge kompensiert werden. Das ist der Kern dieses Gesetzes: Längere Arbeitstage sollen leichter möglich und vor allem billiger werden.

Der Traum von acht Stunden Schlaf

Bedenkt man dann noch die gesetzlich geregelten Arbeitspausen von mindestens 30 Minuten, braucht niemand mehr an acht Stunden Freizeit denken. Rechnet man noch die zulässige Anfahrtszeiten von zwei Stunden ein, sind wir bei 14,5-Stunden-Arbeitstagen. Da braucht dann auch niemand mehr von acht Stunden Schlaf träumen.

Bringt die Regierung den Zwölfstundentag durch, hat sie nicht nur eine zentrale Forderung der Großunternehmer umgesetzt. Sie wird damit auch den ÖGB de facto vernichten und bei ihren nächsten Vorhaben freie Fahrt haben. Das ist im Regierungsprogramm zum Beispiel die Senkung der Mindestbefristungsdauer von Mietverträgen. Wenn es nach den Neos geht: auf sechs Monate. Das heißt also künftig zweimal pro Jahr hoffen und betteln, dass der Vermieter den Mietvertrag verlängert und die Miete nicht zu sehr erhöht, statt wie bisher nur einmal alle drei Jahre. Oder die Abschaffung der Notstandshilfe, womit längere Phasen der Arbeitslosigkeit sofort in der Mindestsicherung inklusive Vermögenszugriff enden.

Entweder sagen die Arbeitnehmer und die Führung des ÖGB "Bis hierhin und nicht weiter" und werden diese rote Linie bedingungslos verteidigen, oder die Gewerkschaft ist tot und das Regierungsprogramm kann mit voller Härte und Konsequenz umgesetzt werden. (Fayad Mulla, 18.6.2018)