Ein bisschen künstliches Licht brauchen allerdings auch Forscher, wenn sie nachts Insekten zählen wollen.
Foto: Gabriel Singer / IGB

Berlin – Für Aufsehen und eine Kontroverse sorgte vergangenen Sommer eine deutsche Studie, der zufolge Insektenpopulationen in einigen Schutzgebieten in den vergangenen Jahrzehnten massiv geschrumpft seien, bis zu 80 Prozent. Die Studie wurde zum Politikum, es gab zunächst Kritik an Methodik und Aussagekraft – sie wurde im Herbst aber von den Untersuchungen eines internationalen Forscherteams weitestgehend bestätigt.

Klimawandel und andere Veränderungen im natürlichen Lebensraum mögen laut den Autoren der Studie mit eine Rolle spielen, könnten aber nicht allein den Schwund erklären. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) bringt nun einen anderen, ebenfalls auf den Menschen zurückgehenden, Faktor ins Spiel: Lichtverschmutzung.

Licht wirft Schatten

Die IGB-Forscher wissen bereits aus früheren Untersuchungen, dass künstliche Beleuchtung in der Nacht Insekten stark beeinflusst. "Die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv. Sie sind auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren und fortzubewegen oder Räubern auszuweichen. Und um ihren allnächtlichen Aufgaben wie Nahrungssuche und Fortpflanzung nachzugehen", sagt Maja Grubisic, Erstautorin einer nun in den "Annals of Applied Biology" veröffentlichten Untersuchung.

Für das neue Paper analysierte Grubisics Team eine Reihe von Einzelstudien zu den Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Insekten und glaubt nun, auf einen relevanten Faktor gestoßen zu sein. Fluginsekten werden beispielsweise von künstlichen Lichtquellen angezogen – und gleichzeitig aus anderen Ökosystemen abgezogen. Am Ort, zu dem sie gelockt wurden, sterben sie durch Erschöpfung oder als leichte Beute.

Der Faktor begünstige letztlich die Zersplitterung von Insektenpopulationen, was den genetischen Austausch starkt erschwert. Dadurch könnte die Widerstandsfähigkeit der Tiere gegen negative Umwelteinflüsse reduziert werden, und davon gibt es in landwirtschaftlich genutzten Gebieten heute jede Menge.

Kettenreaktion und Zusammenspiel

Eine Verringerung der Insektenzahl würde in der Folge wichtige Ökosystemleistungen gefährden: Weniger Nachtfalter, Käfer und Fliegen bedeuten zum Beispiel auch, dass weniger Pflanzen bestäubt werden. Selbst Veränderungen im Vorkommen und Verhalten von Schädlingen wie Blattläusen oder auch deren Feinden wie Käfern und Spinnen könne das eingespielte System aus dem Gleichgewicht bringen.

Lichtverschmutzung ist zwar nicht der Faktor, auf den der Insektenschwund zurückgeführt werden kann. Im Zusammenspiel mit anderen, ebenfalls vom Menschen verursachten Veränderungen dürfte er jedoch sein Scherflein beitragen, glauben die Forscher. Daher sollte das Übermaß an künstlicher Beleuchtung in zukünftigen Studien generell als potenzieller Stressfaktor berücksichtigt werden. (red, 20. 6. 2018)