In Minute vier kam Cristiano Ronaldo geflogen und vollstreckte elegant per Hechtkopfball.

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Ronaldo posierte, wie man es kennt.

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Portugals Keeper Rui Patricio hatte einige Prüfungen zu meistern, er bestand alle.

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Faycal Fajir, zog als Sinnbild des marokkanischen Scheiterns ab.

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Moskau – Am Mittwochnachmittag hat CR7 im Luschniki-Stadion vorbeigeschaut, nun ist die Kathedrale also richtig eingeweiht. Die Mehrzahl der portugiesischen Fans hatte den Namen "Ronaldo" am Rücken stehen, das rote oder auch weiße Leiberl ist ein globaler Renner. Angeblich sollen Säuglinge in und um Lissabon nach "Mama" und "Papa" bereits "Ronaldo" sagen können, damit kommt man bis zum Eintritt in die Vorschule locker durch.

Das Wetter warm, der Himmel, von ein paar Wölkchen abgesehen, blau. Moskau hat sich für den Empfang fesch gemacht. Davon profitierte übrigens der ehemalige Fifa-Präsident Sepp Blatter. Der von sämtlichen fußballerischen Funktionen ausgesperrte Schweizer wurde von Wladimir Putin höchstpersönlich eingeladen. So etwas schlägt man nicht aus, wer will schon Russland Präsident kränken. Der Weltverband murrte innerlich, Blatter hat den Besuch sichtlich genossen. Sein Motto: Ätsch.

Das Wesentliche

Dem 33-jährigen Ronaldo sind solch Macht- und Korruptionsspielchen völlig wurscht, er besitzt die Gabe, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und das ist er selbst. Mit den drei Toren beim 3:3 gegen Spanien hat er verzaubert, Attribute wie "außerirdisch", "gottgleich", "übermenschlich" wurden ihm umgehängt. Der Fußball giert nach Helden, nach Superlativen, nach Reizfiguren, nach Ronaldo. Irdische Portugiesen, gefragt, was sie diesmal erwarten, antworteten nahezu deckungsgleich: Tore von Ronaldo. Pessimisten wären mit einem Treffer zufrieden gewesen.

Als der Mannschaftsbus rund zwei Stunden vor Anpfiff beim Luschniki eintraf, waren die Fernsehkameras längst aufgebaut. Ronaldo beim Aussteigen filmen ist ein Quotenhit. Es hätten sämtliche anderen Spieler über die Bustreppe purzeln können, egal, Hauptsache CR7 steigt unfallfrei aus. Was der Fall war. Gegner Marokko geriet zur Randnotiz, die Nordafrikaner waren die Statisten, die jede große Oper braucht. Teamchef Hervé Renard, ein Franzose, war sich der Rolle bewusst, der Zustand seiner Mannschaft nach dem 0:1 gegen den Iran interessierte kaum, er musste in der Vorschau über Ronaldo parlieren. "Wenn du Pläne für Ronaldo entwickelst, findet er einen Weg raus. Er bringt seine Mannschaft auf den rechten Weg."

Der Leitwolf

Ronaldo selbst macht sich nicht nur in Russland verbal rar, der nationale Verband schickt zu Presseterminen andere Spieler. Sie reden halt über Ronaldo. Zum Beispiel Pepe: "Das Wichtigste ist, dass es Cristiano gut geht. Er ist voller Vertrauen in jedem Spiel und es ist ein Privileg, ihn im Team zu haben." Seine Kollegen zeichnen übrigens ein ganz anderes Bild, nicht jenes vom eitlen, theatralischen Gockel, der seine Gesten vor dem Spiegel einstudiert hat. Das Rudel himmelt den Leitwolf glaubhaft an. André Silva: "Wenn ich ihn brauche, ist er immer an meiner Seite."

Eine dreiviertel Stunde vor Beginn erscheint Ronaldo pünktlich zum Aufwärmen, ein Raunen geht durchs Stadion. Die Hymne singt er inbrünstig mit. Nach 23 Sekunden unterläuft ihm ein technischer Fehler. Da marokkanische Fans in der Überzahl sind, wird CR7 ausgebuht und ausgelacht, so etwas prallt ab an ihm, da ist er halt taub. 4. Minute: Eckball Portugal, kurz abgespielt, Joao Moutinho flankt, CR7 hechtet nach dem Ball, nicht einmal das hohe Bein von Karim El Ahmadi stört ihn sonderlich, er köpfelt wuchtig das 1:0. Worauf er jubelt, wie Ronaldo eben jubelt.

Es folgen weitere lichte Momente, aber auch Ballverluste, Marokko ist durchaus ebenbürtig, in manchen Phasen sogar besser. 23. Minute: Mehdi Benatia foult Ronaldo, der stirbt wie ein Schwan, lebt aber Sekunden später gesund weiter. 17 Minuten später eine ähnliche Szene, Benatia wird mit der gelben Karte bedacht. Ronaldo schwant und steht. Er spielt noch ein Traumpass auf Goncalo Gudes, der vernebelt, umgekehrt wäre es besser gewesen.

Berühmt

Nach der Pause drängt Marokko vehement auf den Ausgleich, Ronaldo, der von links nach rechts und in die Mitte wechselt, ist sogar mit Defensivaufgaben beschäftigt. Übrigens schießt er gleich zwei Freistöße aus aussichtsreichen Positionen in die Mauer, mit erneut drei Treffern hätte er berühmt werden können (Witz). Es bleibt beim glücklichen 1:0. Ronaldo pustet aus, verteidigt seinen Status. Die Marokkaner weinen, sie können das Achtelfinale nicht mehr erreichen. Ronaldo wird wie gegen Spanien zum "Man of the Match" gewählt und sagt: "Ich bin sehr glücklich, wir müssen weiter an uns arbeiten."

Der Ausgang der Oper war vorhersehbar, es hat gewiss schon künstlerisch wertvollere Aufführungen gegeben. Im 152. Länderspiel hat Ronaldo seinen 85. Treffer erzielt, den siebten anlässlich einer WM-Endrunde. Er ist Portugal, ohne ihn wäre es fast im fußballerischen Nirwana. Das ist aber auch keine epochale Neuigkeit. Am 25. Juni tritt Ronaldo in Saransk auf, Statisten sind der Iran und die eigenen Mitspieler. (Christian Hackl aus Moskau, 20.6.2018)

Fußball-WM in Russland, Gruppe B, 2. Runde:

Portugal – Marokko 1:0 (1:0)
Moskau, Luschniki-Stadion, 78.011, SR Geiger (USA)

Tor: 1:0 (4.) Ronaldo

Portugal: Rui Patricio – Cedric, Pepe, Fonte, Guerreiro – Bernardo (59. Martins), W. Carvalho, J. Moutinho (89. Adrien Silva), J. Mario (70. B. Fernandes) – Guedes, Ronaldo

Marokko: El Kajoui – Dirar, Benatia, Da Costa, Hakimi – El Ahmadi (86. Fayr), Boussoufa – N. Amrabat, Belhanda (75. Carcela-Gonzalez), Ziyach – Boutaib (69. El Kaabi)

Gelbe Karten: Adrien Silva bzw. Benatia