Die US-Regierung will ein Gerichtsurteil, das die Inhaftierung von Kindern zeitlich beschränkt, gerichtlich anfechten.

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Trump, das Dekret, seine Heimatschutzministerin, der Justizminister.

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Der Präsident gab sich alle Mühe, die Schlappe als vollen Erfolg zu präsentieren. Die USA würden "starke, sehr starke Grenzen" haben, die Familien aber sollen zusammengehalten werden. Weil der Druck am Ende zu groß geworden war, hat Donald Trump am Mittwoch die von ihm durchgesetzte Trennung illegal eingereister Menschen von ihren Kindern an der Grenze zu Mexiko beendet. "Ich konnte den Anblick und das Gefühl von getrennten Familien nicht ausstehen", sagt der Präsident bei der Unterzeichnung des Dekrets im Oval Office, die der umstrittenen Praxis ein Ende setzte.

Selbst angeordnet

Nun wäre die präsidentielle Exekutivanordnung zur Rücknahme ebendieser gar nicht notwendig gewesen, hätte die Regierung sie zuvor nicht selbst angeordnet. Seit April wurden Erwachsene, die ohne gültige Papiere die Grenze übertraten, strafrechtlich verfolgt und vor Gericht gestellt. Hatten sie Kinder dabei, dann wurden diese währenddessen in Einrichtungen für minderjährige Migranten untergebracht. So wurden seit Mitte April nach Angaben des US-Heimatschutzministeriums mehr als 2300 Kinder von ihren Eltern getrennt – ohne dass spätere Zusammenführungen in irgendeiner Form geregelt worden wären.

Das war zumindest bis Mittwoch der Fall. Doch zuletzt ist das Weiße Haus enorm unter Druck geraten, da die Kritik von zu vielen Seiten kam. Nicht nur Menschenrechtsorganisationen und die Demokraten liefen Sturm gegen das Vorgehen an der Grenze, auch aus den eigenen Reihen regte sich Widerstand.

Neben ehemaligen First Ladies machte selbst die aktuelle Präsidentengattin Melania Trump ihren Unmut öffentlich. Auch Papst Franziskus schloss sich der Meinung der katholischen US-Bischofskonferenz an, die Praxis der amerikanischen Grenzbehörden sei unmenschlich und nicht akzeptabel. Das Thema dominierte die Medien und entwickelte sich zur aufgewachsenen Krise.

Weg aus der selbstgeschaffenen Krise

Zudem wurden Vorwürfe gegen mehr als ein Dutzend Unterkünfte für Einwandererkinder laut. Wie die Texas Tribune und das Center for Investigative Reporting unter Berufung auf Regierungs- und andere Berichte berichteten, soll es in den Unterkünften zu körperlichem und sexuellem Missbrauch sowie zu Verstößen gegen die Sicherheit und Betreuung von Kindern gekommen sein. Die Vorwürfe sollen teilweise bis zu 20 Jahre zurückreichen, teilweise bezogen sie sich aber auch auf Vorfälle im Mai.

Wenn es also tatsächlich das Kalkül des Präsidenten gewesen ist, den Kongress unter Druck zu setzen, um endlich eine umfassende Einwanderungsreform nach seinen Vorstellungen durchsetzen zu können, dann ging dieses nicht auf. Die republikanische Vorlage scheiterte am Donnerstagabend im Repräsentantenhaus. Auch die für Freitag geplante Abstimmung über neue gesetzliche Regelungen wurde auf kommende Woche verschoben.

Deshalb habe Donald Trump nach einem Ausweg aus der selbstgeschaffenen Krise gesucht, schreibt die New York Times mit Verweis auf Quellen im Umfeld des Weißen Hauses. Zwar halte er das Vorgehen an der Grenze weiterhin für angemessen, allerdings drohe der Streit sich in die Kongresswahlen im November zu ziehen. Mit dem Dekret zog Trump nun die Notbremse, aus der Welt geschafft hat er das Problem damit aber nicht. Denn die wichtigste Neuerung besteht einzig darin: Kinder von illegal Eingewanderten werden nun gemeinsam mit ihren Eltern eingesperrt. Ob die Behörden, wie die Washington Post berichtete, wirklich bis auf weiteres strafrechtliche Anklagen gegen illegale Einwanderer mit Kindern unterlassen würden, war zunächst unklar.

Gegen US-Recht

Das taugt nur bedingt dazu, die Kritiker der "Nulltoleranz"-Strategie der Regierung zu kalmieren. Zunächst blieb unklar, wie mit den bereits getrennten Familien umgegangen werden soll. Laut Informationen der New York Times hieß es zunächst, die betroffenen Kinder blieben für die Dauer des Asylprozesses ihrer Eltern von diesen getrennt. Am Donnerstag (Ortszeit) sagte der Präsident dann zu, bereits voneinander getrennte Eltern und ihre Kinder wieder zusammenzuführen. Er werde die Behörden anweisen, sich darum zu kümmern, sagte Trump während einer Kabinettssitzung im Weißen Haus.

Allerdings bringt Trumps Dekret keine Klarheit in die Frage, wie nun mit den fortan mit ihren Eltern zusammen inhaftierten Kindern vorgegangen werden soll. Ein Gerichtsurteil von 1997 untersagt es den US-Behörden, Kinder länger als 20 Tage in einem Internierungslager festzuhalten – was selbst dann gilt, wenn die Eltern dabei sind.

Diese sogenannte Flores-Vereinbarung des Supreme Court, des Obersten Gerichts der USA, sieht gewisse Mindeststandards bei Haftbedingungen für illegal eingereiste Familien vor. Genau dieses Abkommen möchte das Weiße Haus jetzt anfechten. Die Gerichtsentscheidung bringe die Regierung in eine "unhaltbare Situation", sagte ein Berater von Justizminister Jeff Sessions am Donnerstag. Denn wenn illegal eingewanderte Familien nicht länger als 20 Tage in Haft bleiben dürfen, während deren Asylanträge bearbeitet werden, dann können Monate oder sogar Jahre ins Land ziehen, argumentiert die Regierung.

Deshalb soll nun versucht werden, eine "längere Frist" durchzusetzen. Das Dekret könnte der US-Regierung also neue Rechtsstreitigkeiten einbringen. Will Trump die derzeitigen Regeln außer Kraft setzen, braucht er diesbezüglich eine richterliche Erlaubnis der dafür zuständigen Bundesrichterin in Los Angeles, Dolly M. Gee.

Auch Trumps Vorgänger Barack Obama hatte einst versucht, illegal eingewanderte Familien – gemeinsam – länger als 20 Tage in Haft zu halten. Gee untersagte es ihm. Die Wahrscheinlichkeit also, dass sie nun die Erlaubnis dazu erteilt, ist gering. Trump könnte dann aber behaupten, dass er zumindest versucht hätte, Kinder nicht von ihren Eltern zu trennen – und die Schlappe am Ende als Erfolg präsentieren. (Analyse: Anna Giulia Fink, 21.6.2018)