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Auch Spanien will das deutsche Rettungsschiff "Lifeline" mit rund 230 Migranten an Bord derzeit nicht in einem seiner Häfen anlanden lassen

Foto: AP/Felix Weiss

Rom – Für die auf dem Hilfsschiff Lifeline im Mittelmeer ausharrenden Flüchtlinge dauert die Ungewissheit an. Nach Drohungen Italiens, das Schiff zu beschlagnahmen, musste das von der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline betriebene Schiff mit 239 Flüchtlingen an Bord am Sonntag weiter in internationalen Gewässern nahe Malta warten.

Der Inselstaat sowie Italien hatten dem Schiff das Anlaufen eines Hafens verweigert. Am Sonntag trafen Hilfslieferungen an Bord ein. Unterdessen berieten in Brüssel am Sonntag die Vertreter von 16 EU-Staaten über den stärkeren Schutz der Außengrenzen und die Verhinderung der Weiterreise von Asylwerbern innerhalb Europas. Italiens neue Regierung weigert sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen.

Der Kapitän der Lifeline, Claus-Peter Reisch, appellierte bereits vor zwei Tagen von Bord aus an politische Entscheidungsträger: "Es scheint, als ob die Weltpolitik auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen werden soll"

"Italien anlaufen – das können sie vergessen!" hatte Italiens Innenminister Matteo Salvini am Samstag auf Facebook geschrieben. "Ich will dem Geschäft der Schlepper und der Mafia ein Ende setzen." Salvini warf der NGO außerdem vor, das Leben der Migranten zu riskieren und mit ihnen Geld machen zu wollen. Die NGO wolle die Flüchtlinge als "wertvolle Ware von Menschen – von Menschenfleisch – an Bord laden".

Mission Lifeline empörte sich am Sonntag über diese Äußerung. "Lieber Matteo Salvini, wir haben kein Fleisch an Bord, nur Menschen", antwortete die Hilfsorganisation auf ihrer Facebook-Seite. "Wir laden Sie herzlich ein, sich davon zu überzeugen, dass das Menschen sind, die wir vor dem Ertrinken gerettet haben. Sehen Sie selbst, Sie sind herzlich willkommen."

Auch Spanien weigert sich

Auch Spanien will die "Lifeline" derzeit nicht in einem seiner Häfen anlanden lassen. Zwar wolle das Land ein humanitäres Gesicht zeigen, wie es durch die Aufnahme der Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff "Aquarius" gezeigt habe, sagte der Minister für öffentliche Arbeiten, Jose Luis Abalos, am Montag in einem Interview mit dem spanischen Radiosender "Cadena Ser".

"Aber es ist eine andere Sache, jetzt zur maritimen Rettungsorganisation für ganz Europa zu werden", betonte der Politiker, der für die Häfen in Spanien verantwortlich ist.

Die Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, hatte am Sonntag angeboten, als "sicherer Hafen" für Flüchtlinge zu dienen. "Ja, wir haben Häfen, Barcelona, Valencia, Palma. Aber Spanien kann diese Verantwortung nicht alleine übernehmen", sagte Abalos dazu.

Vier Babys an Bord

Unter den 239 Flüchtlingen auf der "Lifeline" sind 14 Frauen und vier Babys. Die Flüchtlinge waren am Mittwoch nahe der libyschen Küste gerettet worden. Am Sonntag traf nach Angaben der Organisation eine Versorgungslieferung aus Malta ein, die Trinkwasser und Lebensmittel enthielt. Die Schiffe Sea-Eye und Sea-Watch hätten zudem Medikamente und Decken gebracht, hieß es auf Facebook.

Italien wirft der Lifeline sowie dem Schiff Seefuchs der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye vor, ohne rechtliche Grundlage unter niederländischer Flagge zu fahren. Die Organisationen weisen dies zurück. Rom wirft den Helfern auf der Lifeline zudem vor, gegen internationales Recht verstoßen zu haben, als sie die Flüchtlinge an Bord nahmen, obwohl bereits die libysche Küstenwache im Einsatz gewesen sei.

Maltas Regierungschef Joseph Muscat schrieb auf Twitter, die Lifeline habe "die Regeln gebrochen", indem sie Anweisungen der italienischen Regierung ignoriert habe. Das Schiff solle "an sein ursprüngliches Ziel zurückkehren, um eine Eskalation zu vermeiden".

Suche nach einem Hafen

Axel Steier von Mission Lifeline sagte am Samstag, es werde nun auf eine diplomatische Lösung gesetzt. Auf der Suche nach einem Hafen liefen Gespräche mit mehreren Staaten, welche die Flüchtlinge aufnehmen könnten.

Steier betonte, die Papiere des Schiffes seien in Ordnung. Er fürchte eine ähnliche Situation wie bei dem Flüchtlingshilfsschiff Aquarius, das zuvor tagelang mit 630 Flüchtlingen an Bord über das Mittelmeer geirrt war, nachdem Italien ihm das Anlaufen seiner Häfen verweigert hatte. Die "Aquarius" konnte schließlich Mitte Juni im spanischen Valencia anlegen.

Deutsche Grüne an Bord der Lifeline

Indes sind zwei Abgeordnete der deutschen Grünen nach Angaben ihrer Bundestagsfraktion an Bord der Lifeline gegangen.

Die Situation dort sei nicht nur belastend, sondern auch gefährlich, "sowohl für die Geflüchteten als auch die deutsche Crew an Bord", sagte die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Luise Amtsberg, der Deutschen Presse-Agentur. "Bereits jetzt ist die hygienische und medizinische Situation prekär. Es darf nicht sein, dass der Streit über europäische Zuständigkeiten Menschenleben in Gefahr bringt.

Ihr Fraktionskollege Manuel Sarrazin prangerte an, dass "das Schicksal dieser Menschen zum Faustpfand im Streit über die europäische Asylpolitik" werde.

Mehr Flüchtlinge brachen Richtung Europa auf

Ein Containerschiff der dänischen Reederei Maersk Line rettete am Samstag nahe der italienischen Küste 113 Flüchtlinge aus Seenot. Die Besatzung der Lifeline half dabei, die Flüchtlinge von einem Schlauchboot an Bord des Containerschiffs zu bringen. Das dänische Containerschiff darf nach tagelangem Warten in Italien anlegen. Der Bürgermeister der sizilianischen Stadt Pozzalla erklärte italienischen Nachrichtenagenturen am Montagabend, dass Innenminister Matteo Salvini die Hafeneinfahrt der "Alexander Maersk" erlaubt habe.

Die spanische Seenotrettung brachte bei drei Rettungseinsätzen am Samstag insgesamt 569 Menschen in Sicherheit. Vor der libyschen Küste wurden nach Angaben der libyschen Marine fast 200 Flüchtlinge gerettet, fünf Menschen ertranken.

Wegen des guten Wetters nahm die Zahl der Flüchtlinge, die von Libyen aus in häufig kaum seetauglichen Booten in Richtung Europa aufbrechen, in den vergangenen Wochen wieder zu. (APA, AFP, 25.6.2018)