Das menschliche Gehirn ist trotz intensiver Forschungsanstrengungen der letzten Jahrzehnte immer noch eine Art Black Box. Es liegt gut geschützt im Schädel, was bildgebende Verfahren nur begrenzt aussagekräftig macht. Auch die Erforschung der Vorgänge im Gehirn ist schwierig. Aufsehen erregend sind deshalb die Ergebnisse des internationalen Brainstorm Consortiums, das seine Ergebnisse im Fachjournals "Science" vorgestellt hat.

Die These der über 500 Forscher: Eine Reihe von psychische Erkrankungen haben eine gemeinsame genetische Basis. Im Fokus der Forscher stand die Frage, wie genetische Variation mit der Entstehung von Hirnerkrankungen zusammenhängt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass psychiatrische Erkrankungen wahrscheinlich wichtige Gemeinsamkeiten auf molekularer Ebene aufweisen, die sich in den derzeitigen diagnostischen Kategorien nicht widerspiegeln.

Es liegt in der Familie

Psychiatrische Erkrankungen wie Schizophrenie und bipolare Störungen treten familiär gehäuft auf. In der Studie untersuchten die Forscher die genetischen Zusammenhänge zwischen diesen Störungen und anderen Erkrankungen des Gehirns in einer Systematik, die die bisherigen Arbeiten zu diesem Thema weit in den Schatten stellt. Das internationale Forscherteam stellte fest, dass psychiatrische Störungen zahlreiche genetische Faktoren teilen, während neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer im Hinblick auf ihre genetischen Grundlagen deutlicher voneinander abgegrenzt erscheinen.

Da jede einzelne genetische Variante nur einen kleinen Beitrag zur Krankheitsentstehung leistet, erforderten die Analysen große Stichproben. Mit Hilfe von genomweiten Assoziationsstudien an insgesamt 265.218 Patienten und 784.643 Kontrollen ermittelten die Forscher das Ausmaß der genetischen Überlappungen zwischen den einzelnen Erkrankungen. Die Ergebnisse zeigten weitreichende genetische Überschneidungen bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, insbesondere zwischen der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), der bipolaren Störung, der schweren Depression und der Schizophrenie.

Was genetisch ähnlich ist

Darüber hinaus weisen die Daten eine starke Überlappung zwischen Magersucht (Anorexia nervosa) und der Zwangsstörung (OCD) sowie zwischen OCD und dem Tourette-Syndrom auf. Im Gegensatz dazu waren neurologische Störungen wie Parkinson und Multiple Sklerose deutlicher voneinander und von den psychiatrischen Störungen zu unterscheiden – mit Ausnahme der Migräne, die genetisch mit ADHS, der schweren depressiven Störung und dem Tourette-Syndrom in Zusammenhang steht.

Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet die ausgeprägte genetische Überlappung zwischen den psychiatrischen Störungen darauf hin, dass die aktuellen klinischen Diagnosekriterien die zugrunde liegende Biologie nicht genau widerspiegeln. (red, 25.6.2018)