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Vorrang für heile (Um-)Welt oder Jobs durch Investitionen? Die Regierung setzt neue Akzente, die Großprojekte bevorzugen könnten.

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Mit dem Vorstoß sollen die schleppenden Verfahren bei großen Infrastrukturprojekten deutlich beschleunigt werden.

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Die Regierung drückt bei ihrer Standortoffensive ordentlich aufs Tempo. Mit Bürokratieabbau, Steuerentlastung, flexibleren Arbeitszeiten und Verwaltungsvereinfachung will sie die Rahmenbedingungen für Investitionen in Österreich verbessern. So lautet zumindest die Devise von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen blauen Partnern. Dieser Tage soll ein konkreter Vorstoß erfolgen: das Standortentwicklungsgesetz, dessen Entwurf nun fertig vorliegt und in Begutachtung geht.

Mit dem Vorstoß sollen die schleppenden Verfahren bei großen Infrastrukturprojekten deutlich beschleunigt werden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die bei größeren Vorhaben notwendig ist, dauerte 2016 laut Angaben des Umweltbundesamtes durchschnittlich 18,4 Monate. Gemessen wird hier der Zeitraum von der Einbringung des Antrags bis zur Entscheidung. Zieht man den Zeitpunkt heran, ab dem die Dokumente vollständig sind, dauerten die Verfahren "nur" noch sieben Monate lang.

Das Problem bei der Sache: Es gibt immer sehr komplexe Vorhaben, deren Verfahren deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Durchschnittswerte. Schlagzeilen machte hier insbesondere die dritte Piste des Flughafens Wien, der die Dauer des Verfahrens mit 17 Jahren angegeben hat. Nach einer Ablehnung des Projekts aus Umweltschutzgründen durch das Bundesverwaltungsgericht hob der Verfassungsgerichtshof im Vorjahr diese Entscheidung auf. Das Berufungsgericht habe die Rechtslage "grob verkannt", meinte das Höchstgericht.

1.) Projekte auswählen

Mit dem Standortentwicklungsgesetz sollen derartige Verzögerungen unterbunden werden. Die Grundidee: Es werden vorrangige Projekte definiert, die im besonderen öffentlichen Interesse stehen. Das könnte eine Straße, eine Bahnlinie, ein Stromnetz, ein Kraftwerk, aber auch ein privates Projekt wie beispielsweise eine Forschungsstätte sein. Voraussetzung ist, dass eine volkswirtschaftlich herausragende Bedeutung vorliegt. Dafür sind u. a. Investitionsvolumen, Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und Überregionalität entscheidende Kriterien.

Ministerien und Landeshauptleute können dabei Projekte einreichen, die von einem Expertengremium geprüft werden. Die Regierung entscheidet dann zweimal im Jahr, welche Großvorhaben von besonderer Bedeutung sind, und legt sie per Verordnung fest.

Alles schön und gut, doch worin liegt der eigentliche Nutzen des geplanten Gesetzes? Die Verfahrensbeschleunigung wird im Entwurf durch einen Kunstgriff erreicht. Derzeit gibt es bereits eine Frist von neun Monaten für die Umweltverträglichkeitsprüfung, allerdings wird sie – wie die eingangs erwähnten Verfahrensdauern zeigen – oft nicht eingehalten.

2.) Frist setzen

In dem von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ausgearbeiteten Entwurf wird nun festgelegt, dass ein Vorhaben automatisch genehmigt ist, wenn die UVP-Frist endet. Überdies soll der ebenfalls jetzt schon festgelegte Zeitraum für den Instanzenzug von sechs Monaten berücksichtigt werden. Entscheidet das Gericht nicht innerhalb der genannten Periode, wäre auch hier das Verfahren zu beenden und das Projekt zu bewilligen.

Dabei fällt ins Gewicht, dass gerade Großprojekte eine deutlich längere Prüfung beanspruchen. Das gilt nicht nur für den Flughafen Wien, sondern beispielsweise auch für Schnellstraßen, Kraftwerke, Leitungsnetze und Bahntunnels. Die Regierung will die Standortbestimmungen einfachgesetzlich regeln, wie es heißt. Während Umweltschützer empört sind und von einem "demokratiepolitischen Rückschritt" sprechen, freut sich die Industrie. "Effizienter und kürzer statt ewig verzögert", hält dazu Industrie-Vertreter Peter Koren fest.

3.) Wirtschaft in die Verfassung

Im Unterschied zum Standortgesetz ist die Regierung bei einem anderen Vorhaben auf eine Oppositionspartei angewiesen: Sie will eine Staatszielbestimmung für Wirtschaft und Beschäftigung in die Verfassung hieven. Die Gerichte könnten sich bei der Genehmigung von Infrastrukturprojekten auf diese Klausel berufen, meinen Juristen. Kritiker monieren, dass die Formulierung schwammig sei und den Interpretationsspielraum erhöhe. Allerdings ist ohnehin noch unklar, wer der Koalition seine Stimme schenkt. Die Neos zieren sich ein wenig und wollen für einen "Marketingschmäh" nicht herhalten. Die SPÖ ist zwar gegen die Bestimmung, steht aber unter Druck. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl wünscht sich eine Zustimmung. (Andreas Schnauder, 27.6.2018)