Wenn der Krampf trotz Gehpause und Massage nicht verschwindet, dann sollte der Sport abgebrochen werden.

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Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Fitness und Gesundheit. Das beeinflusst auch ihre Freizeitgestaltung.

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Unlängst bin ich einen Halbmarathon in Oberösterreich gelaufen – der Anfang war großartig. Meine Beine fühlten sich federleicht an, die Strecke war wunderschön, das Publikum motivierend. Die ersten zehn Kilometer lief ich in Begleitung. Sie vergingen wie im Flug. Dann blickte ich auf meine Laufuhr – und siehe da: Ich war unterwegs zu einer neuen persönlichen Bestzeit.

Das motivierte mich auch auf den nächsten Kilometern, auf denen ich mein – für mich – gutes Tempo halten konnte. Aber dann kam Kilometer 16 – und wie aus dem Nichts bekam ich plötzlich höllische Schmerzen in meinen Zehen und Waden: Ich hatte Krämpfe. Meine Zehen krümmten sich in den Laufschuhen, während meine Waden ein pulsierender Schmerz durchfuhr. Ich konnte meine Beine kaum noch heben, wurde langsamer und langsamer, bis ich mich nur mehr im Schritttempo bewegte – und irgendwann stehenblieb.

Jene Läufer, an denen ich gerade noch ganz locker vorbeigezogen war, überholten mich nun. Das Publikum jubelte zwar immer noch, aber plötzlich kam es mir vor, als ob ich eher mitleidige Blicke ernten würde. Oder bildete ich mir das nur ein? Ich stand am Straßenrand und massierte meine Waden. Sie fühlten sich steinhart an. Ich wippte vorsichtig auf den Zehenspitzen. Bei einer nahen Verpflegungsstation trank ich ein grelllila isotonisches Getränk. Ich atmete tief durch.

Auf Ursachensuche

Zwar kenne ich Läufer, die ein Rennen wegen hartnäckiger Krämpfe abbrechen mussten. Ich selbst hatte damit aber noch nie Probleme gehabt. Sollte dieser Halbmarathon wirklich der erste werden, den ich nicht zu Ende bringe? Keine Medaille, kein Foto in Siegerpose? Wie würde ich dann überhaupt von hier zum Ziel kommen, wo mich mein Mann schon erwartete?

Aber dann waren die Schmerzen plötzlich weg. Ich trabte langsam los – und begab mich schon auf die Ursachensuche. Ja, ich hatte mich mehr gefordert als sonst. Aber ich hatte auch viel trainiert. Ich hatte bei jeder Verpflegungsstation etwas getrunken. Das Wetter war angenehm und nicht zu heiß.

Dehydrierung, Ermüdung und schlechte Durchblutung sind einige Faktoren, die einen Krampf begünstigen können, bestätigt die Wiener Sportmedizinerin Ulrike Preiml. Aber auch orthopädische Probleme können dahinterstehen. "Beim Krampf wehrt sich der Muskel gegen eine Überlastung", sagt Preiml. Grundsätzlich kann, je nach Art der Belastung, jeder unserer rund 650 Muskeln krampfen, sich also unkontrolliert zusammenziehen. Beim Laufen kommt es besonders häufig zu Krämpfen in der Oberschenkelmuskulatur und in den Waden.

Von Letzterem kann ich nun ein Lied singen. "Im Akutzustand muss der Sport unterbrochen werden", sagt Preiml. Sie rät dazu, die Muskeln zu lockern und leicht zu massieren. Auch Wärme kann helfen, die Muskeln zu entspannen. Magnesium gilt als Hausmittel gegen Krämpfe: "Das funktioniert wie eine Art Weichmacher", sagt Preiml – allerdings trägt das Pulver nicht zur akuten Linderung bei, wenn die Wade schon krampft.

Langzeitfolgen möglich

Unter Schmerzen weiterzusporteln, davon rät die Medizinerin jedenfalls dringend ab: "Da besteht die große Gefahr von Muskelfaserrissen und Muskelrissen." Kommt es zu einem Muskelriss, dann verschwinden die Schmerzen auch im Ruhezustand nicht mehr – und sogar eine Delle im Muskel kann zu Beginn ertastet werden. "Dann ist eine Sportpause notwendig", so Preiml. Und auch Langzeitfolgen sind möglich: Denn ein Muskelriss vernarbt. Dabei entsteht Bindegewebe, das schlechter durchblutet wird und weniger elastisch ist. "Das kann eine Stelle sein, an der man sich später wieder verletzt."

Ich lief langsam weiter. Es ging mir wieder gut. Ich versuchte also vorsichtig mein Tempo wieder zu steigern. Und zack, da zog es mir die rechte Wade wieder schmerzhaft zusammen. Ich wurde wieder langsamer. In diesem Hü und Hott lief ich weiter. Ob ich nicht doch noch einmal ...? Ich wurde schneller. Zack. Meine rechte Wade meldete sich schon wieder.

So ging das die letzten paar Kilometer dahin. Aber den Schlusssprint ließ ich mir nicht nehmen – komischerweise ganz ohne Krämpfe. Und die Bestzeit? Die habe ich am Ende eh nur um eine Minute verfehlt. (Franziska Zoidl, 1.7.2018)