Cambridge – Entstanden schon vor 3,5 Milliarden Jahren, scheint das Leben sehr lange Zeit nicht über das Niveau von Mikroben hinausgekommen zu sein. Einzige Ausnahme sind die erst vor einigen Jahren entdeckten Gabonionta, die einige Zentimeter groß geworden sein könnten und vor 2,1 Milliarden Jahren lebten – was diese Wesen waren, ist aber noch vollkommen unbekannt.

Für die Schlussphase dieser frühen Periode des Lebens wurden der Ausdruck "Boring Billion" geprägt: eine Zeit vor etwa 1,8 bis 0,8 Milliarden Jahren, in der sich auf unserem Planeten weder geologisch noch klimatisch noch biologisch große Veränderungen taten – zumindest so weit man bisher weiß.

Danach aber ging es Schlag auf Schlag: Im Zeitalter des Cryogeniums vor 720 bis 635 Millionen Jahren erlebte die Erde die größten Eiszeiten ihrer Geschichte, und im darauf folgenden Ediacarium explodierte geradezu das Leben. Zum ersten Mal füllten sich die Meere mit komplexen Lebensformen, und einige davon wie die ein bis zwei Meter langen respektive hohen Rangeomorpha erreichten plötzlich noch nie dagewesene Größen.

Unbekannte Wesen

Was diese Wesen waren – Tiere, Pflanzen oder gar etwas anderes –, ist bis heute unbekannt. Aus ihren in Sandstein erhalten gebliebenen Körperformen kann man aber schließen, dass sie weder harte Körperbestandteile wie Schalen oder Skelette noch Organe hatten, mit denen sie sich fortbewegen hätten können. Allem Anschein nach hatten sie nicht einmal Mundöffnungen – man nimmt an, dass sie Nährstoffpartikel aus dem Wasser filterten.

So in etwa sollen Rangeomorpha zu Lebzeiten ausgesehen haben.
illustration: Charlotte Kenchington

Diese wahrscheinlichste Ernährungsweise führte Forscher vor einigen Jahren zur Hypothese, dass die Ediacara-Wesen deshalb in die Höhe schossen, um in Wasserschichten filtern zu können, an die die Konkurrenz nicht herankam. Immerhin dürften damals alle um dieselbe Nahrungsressource konkurriert haben, Räuber und Nahrungsketten gab es noch nicht.

Neue Hypothese

Forscher der Universität Cambridge haben nun eine andere Hypothese aufgestellt, nachdem sie Ediacara-Fossilien aus Neufundland untersucht hatten. Da die Wesen sesshaft waren, findet man oft ganze Kolonien von ihnen auf engem Raum. Die Verteilung der einzelnen Individuen in einer solchen Kolonie haben sich nun die Forscher um Emily Mitchell genauer angesehen.

Laut Mitchell konnte aus den Verteilungsmustern kein Zusammenhang damit abgeleitet werden, wie hoch in der Wassersäule die Wesen "fischten". Dafür fand man im Umkreis der größten Exemplare stets auch die größten Ansammlungen von dem, was die Forscher für Ableger halten.

Die Ediacara-Wesen dürften sich ungeschlechtlich vermehrt haben, indem sie Brutkörper wie Knospen ausbildeten und in ihre Nachbarschaft ausstießen. Je größer ein Exemplar war, desto größer wäre auch seine Reichweite gewesen, um die Umgebung mit der eigenen Nachkommenschaft zu kolonisieren, folgern die Forscher. Ergo: Das Leben sei zur Optimierung der Fortpflanzung, nicht zu der des Nahrungserwerbs größer geworden. (red, 1. 7. 2018)