Zu gewinnen gibt es in diesem Kampf für die ÖVP und vor allem für die "Arbeiterpartei" FPÖ wenig. Längere Höchstarbeitszeiten sind kein Schlager. Viele Arbeitnehmer befürchten, der Druck am Arbeitsplatz könnte noch größer werden. Sie haben Sorge, dass ihr Familienleben leidet. Die Gewerkschaft befeuert diese Ängste geschickt, zeigt gerade, dass man sie noch nicht abschreiben sollte. Die Großdemo am Samstag in Wien wird ein Lackmustest für ihre Kampagnenfähigkeit.

Die derzeitige Hysterie ist aber sicher übertrieben. Grosso modo werden Österreichs Arbeitnehmer auch in Zukunft nicht zu Knechten des Großkapitals werden, dafür werden auch die Betriebsräte und Gewerkschaften sorgen. Es kommt aber natürlich zu einer gewissen Machtverschiebung, die Arbeitgeber werden etwas gestärkt, die Arbeitnehmer etwas geschwächt. Egal wie explizit die Freiwilligkeit ins Gesetz geschrieben wird, Arbeitnehmer werden es im realen Berufsleben nicht immer wagen, Überstunden, die sie eigentlich nicht machen wollen, abzulehnen.

Zudem wird der Einsatz von All-in-Verträgen ausgeweitet, wodurch sich die Überstundenfrage für immer mehr Menschen gar nicht mehr stellt. Vor allem in Betrieben mit schlechten Chefs wird es die Belegschaft also schwerhaben, sich gegen Wünsche nach Mehrarbeit zu wehren. Ehrlicherweise muss man aber sagen: Das ist jetzt auch nicht viel anders.

In Sachen Emotionalisierung, die bei der Flüchtlingsfrage so hervorragend funktioniert, sitzt Türkis-Blau beim Zwölfstundentag aber am kürzeren Hebel. Darum muss das Gesetz ruckzuck noch vor dem Sommer durchs Parlament. Die Strategie dahinter ist einfach: Auf Dauer wird es auch für die Gewerkschaft schwierig, die Aufgeregtheit aufrechtzuerhalten. Im Herbst können sich die Arbeitgeber aber auf heiße Lohnverhandlungen einstellen. Ob sie sich dann noch immer als Sieger fühlen dürfen, ist fraglich. (Günther Oswald, 28.6.2018)