Experten zufolge soll es etwa 1100 solcher Bronzepferdchen geben – das griechische Ministerium fordert explizit dieses zurück, das sich seit 1973 in einer US-amerikanischen Privatsammlung befindet. Das Auktionshaus Sotheby’s und die Eigentümerfamilie reichten Anfang Juni eine Feststellungsklage ein.

Foto: Sotheby's

Mitte Mai gelangte bei Sotheby's in New York eine Sammlung außergewöhnlicher Skulpturen zur Versteigerung, die das US-amerikanische Ehepaar Howard und Saretta Barnet in fünf Jahrzehnten aufgebaut hatte.

Sie umfasste Meisterwerke aus Afrika, Ozeanien und Präkolumbien sowie Antiken europäischer Herkunft und aus dem ehemaligen Osmanischen Reich. 28 Objekte spielten 8,39 Millionen Dollar ein. Eines gelangte allerdings gar nicht erst zum Aufruf: ein 14 cm hohes Bronzepferdchen griechischer Provenienz, in einem für seine Datierung (800 v. Chr.) typischen geometrischen Stil.

Am Tag davor hatte Sotheby's eine Mail des griechischen Kulturministeriums erhalten. Die Forderung: Das Objekt dürfe nicht verkauft und müsse an Griechenland ausgefolgt werden, da es sich um "gestohlenes Kulturgut" handle. Andernfalls sehe sich Griechenland gezwungen, entsprechende rechtliche Schritte einzuleiten. Angaben dazu, wann oder wo das Objekt gestohlen worden sein soll, waren dem Schreiben nicht beigefügt. Vielmehr war der Anspruch aus den im Katalog veröffentlichten Provenienzangaben abgeleitet worden, konkret von einem Vorbesitzer namens Robin Symes – ein dem Vernehmen nach einst renommierter Händler und Strippenzieher im Antikenhandel, der saudische Scheichs und russische Oligarchen zu seinen Klienten zählte. Bis er 2005 wegen des Handels mit Fälschungen verurteilt wurde.

Als man ihn verhaftete, soll er über 33 Depots verfügt haben, gefüllt mit Kunst und Antiken. Er war auch einer der Drahtzieher bei den 1995 an das Getty-Museum in Kalifornien vermittelten Objekten, die, wie sich später herausstellte, aus Raubgrabungen in Italien und Griechenland stammten.

Bronzepferd vor Gericht

2014 entdeckten italienische Ermittler im Hafenlager von Genf 45 Kisten mit zehntausenden archäologischen Relikten, die in den 1970er-Jahren bei Ausgrabungen in Sizilien, Apulien oder Kalabrien gestohlen wurden. Sie wurden beschlagnahmt und Anfang 2016 an Italien returniert. Der Mieter des Lagers: Robin Symes. Kein Wunder, dass dieser Name aktuell Behörden alarmiert.

Ein etruskischer Sarg, den der Kunsthändler Robert Symes zusammen mit 44 Kisten voller antiker Objekte jahrelang in einem Lager in Genf versteckt hielt. 2014 stießen Ermittler auf diesen Bestand, der vor Jahrzehnten illegal exportiert wurde. Anfang 2016 kehrten die Gegenstände nach Italien zurück.
Foto: PHOTO / 'AFP PHOTO / OFFICE OF THE PUBLIC PROSECUTOR OF GENEVA / HANDOUT'

Die Barnets hatten das Bronzepferdchen 1973 bei ihm in London erworben. Davor war es 1967 im Schweizer Auktionshaus "Münzen und Medaillen" versteigert worden. Weiters fand es 1989 in einer Publikation der Universität Genf samt Abbildung eine wissenschaftliche Würdigung.

Warum also blieb Griechenland trotz zweier nachweislicher Veröffentlichungen über Jahrzehnte untätig, selbst wenn vergleichbare Objekte versteigert wurden? Weil davon laut Experten geschätzt 1100 existieren, die sich seit Jahrzehnten in institutionellen Sammlungen wie dem Louvre (Paris, seit 1912) oder dem Metropolitan (New York, seit 1921) und teilweise seit Jahrhunderten in Privatkollektionen befinden?

Fragen, die nun wohl in einem Gerichtsverfahren beantwortet werden. Denn Sotheby's und die Familie Barnet brachten Anfang Juni vor einem New Yorker Bezirksgericht eine Feststellungsklage gegen Griechenland ein. Die Juristen von Sotheby's sind der Meinung, dass die Sammlerfamilie zweifelsfrei rechtmäßiges Eigentum erwarb und weder internationale noch US-amerikanische Gesetze eine Rückgabe stützen würden.

Hinzu kommt, dass gerade solche Bronzen in geometrischem Stil "nicht zwingen aus dem heutigen Griechenland stammen müssen", erklärt Christoph Bacher, in Wien angesiedelter Antikenhändler. "Der einstige Auffindungsort kann sich genauso gut im heutigen Albanien, Mazedonien, Bulgarien oder der östlichen Türkei befunden haben", also in einer Region, die historisch den Norden Griechenlands umfasste. Dazu sei dieses Segment jenes, mit dem bereits in der Antike gehandelt wurde, vom Sammlerhype in der Renaissance mal abgesehen.

Konventionen und Gesetze

Die vollständige Rekonstruktion einer Besitzerkette ist bei Antiken genau genommen unmöglich. Nur in Ausnahmefällen reicht sie mehr als 150 Jahre zurück, etwa bei besonderen Objekten, die in historischer Fachliteratur berücksichtigt wurden. Ein Aspekt, der durchaus Probleme bescheren kann, wenn es um den Nachweis geht, dass sie ursprünglich legal und unter Einhaltung nationaler Exportbestimmungen im Herkunftsland erworben wurden.

Denn der illegale Handel mit Ausgrabungsgegenständen blüht seit Jahrhunderten und insbesondere im Umfeld bewaffneter Konflikte. Daran änderten auch internationale Übereinkommen nur wenig: weder das 1970 von der Unesco zum Verbot und zur Verhütung unzulässiger Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung verabschiedete, das von den rund 150 Vertragsstaaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ratifiziert wurde; noch die Unidroit-Konvention von 1995 über gestohlene oder rechtswidrig ausgeführte Kulturgüter.

Zeitgleich scheiterte die Durchsetzung der Vorgaben an der fehlenden Bereitschaft zur innerstaatlichen Umsetzung. Auf europäischer Ebene wurden trotz dieser internationalen Verträge offengebliebene Lücken in den vergangenen Jahren sukzessive geschlossen. 2016 etwa mit dem Kulturgüterrückgabegesetz (KGSG) in Österreich sowie dem Kulturgutschutzgesetz (KGS) in Deutschland.

In Brüssel gelangt demnächst eine EU-Verordnung zur Abstimmung, die ab 2019 die Einfuhr von Kulturgütern aus Drittstaaten regelt. Ein Kernprojekt des "Europäischen Jahrs des Kulturerbes", mit dem der illegale Handel mit Kulturgütern zur Terrorismusfinanzierung bekämpft werden soll. Dass damit automatisch auch eine massive Reglementierung des legalen Kunsthandels verknüpft ist, sei erwähnt. Der Handel mit Kulturgütern aus dem Irak (seit 2003) und Syrien (seit 2013) ist übrigens ohnedies untersagt.

Anders als eine EU-Richtlinie, die in nationales Recht umgesetzt werden muss, um wirksam zu werden, wird eine Verordnung des EU-Parlaments sofort wirksam und steht über nationalen Rechtsordnungen. Etwaige Widersprüche zu dieser Verordnung müssen demnach von den Mitgliedsstaaten aufgehoben werden. Für Österreich wäre die geplante Regelung bis 2016 völliges Neuland gewesen. Bis dahin waren nur Exporte, nicht aber Importe von Kulturgut reglementiert. Das KGSG brachte die Wende, da seither nur Kulturgut importiert werden kann, das auch legal aus dem Herkunftsland exportiert wurde.

Herkunftsnachweise

Die bevorstehende EU-Verordnung stellt eine Erweiterung dar und zwingt, bei jedem Import eines Objekts aus einem Drittland einen Herkunftsnachweis zu erbringen. Ein erheblicher Aufwand für den legalen Kunsthandel, um im Sinne der EU den illegalen zu verhindern.

Denn es geht um Kulturgüter mit einem Mindestalter von 250 Jahren und unabhängig von ihrem Wert: nicht nur Objekte (inklusive Münzen) archäologischer Ausgrabungen, sondern auch zoologische und botanische, weiters Manuskripte oder Briefmarken sowie Gegenstände von ethnologischem oder künstlerischen Wert, Gemälde, Antiquitäten und Musikinstrumente. Kurz, das gesamte Handelsspektrum des internationalen Kunstmarktes aus allen Epochen und nicht nur der Antike. Im Juli 2017 wurde der Entwurf vorgelegt, in diversen Ausschüssen diskutiert, und bis Ende April wurden an die 400 Änderungsvorschläge erfasst.

Darunter solche von Handelsverbänden, die für eine Anhebung der Altersgrenze auf 500 Jahre eintreten, da damit das angeblich zur Terrorfinanzierung gehandelte Segment betroffen wäre und die Bürokratie für Kulturgüter jüngeren Alters wegfiele. Hinter den Kulissen sollen sich deutsche Beamte zuletzt sogar für eine Herabsetzung des Mindestalters auf 100 Jahre ins Zeug gelegt haben.

Indes plädierte die französische Delegation, unterstützt von anderen Mitgliedsstaaten, für einen angemessenen Ausgleich zwischen der Kontrolle internationaler Handelsströme und dem reibungslosen Ablauf des legalen Handels. Schließlich soll Funktionsfähigkeit des europäischen Kunstmarkts sichergestellt werden.

Schwarzmarkt blüht

Das größte Ärgernis der Experten liegt jedoch in der Begründung, dass diese Verordnung den illegalen Handel zur Terrorismusfinanzierung bekämpfen würde. Ein Totschlagargument und Wasser auf die Mühlen einer Archäologenlobby, die nicht müde wird, den gesamten Handel pauschal zu kriminalisieren. Denn tatsächlich gibt es dafür kaum nennenswerte Anhaltspunkte, selbst für die seit Jahren kolportierten Zahlen des Wertumfangs nicht, weder Datenmaterial noch andere Belege.

Ein Umstand, auf den das Handelsblatt ("Der Sechs-Milliarden-Dollar-Mythos") bereits 2015 verwies. Eine Studie der niederländischen Behörden führte 2016 zu der Erkenntnis, dass den von Bloggern oder Journalisten lancierten Zahlen keine seriösen Quellen zugrunde lagen. Weiters, dass systematischer illegaler Handel mit Kulturgütern von Terrororganisationen nicht nachweisbar sei – sieht man von mit Steuern vergleichbaren Zahlungen ab, die von Schmugglern ebenso eingehoben wurden wie von Bauern für jeden Liter Milch oder Weizentransport.

Im Mai veröffentlichte die New York Times einen Bericht ("The ISIS files"), dem eine Auswertung von mehr als 15.000 aufgefundener Dokumenten zugrunde lag, die auch Einblick darüber gewährte, wie sich der "Islamische Staat" (ISIS) finanziert. Demnach gehören hauptsächlich Steuern und auch Ölverkäufe zu den Einnahmequellen. Zu Kulturgütern fand sich kein Hinweis.

Den illegalen Handel damit wird man weltweit nie verhindern können, davon sind selbst seit Jahrzehnten tätige Antikenhändler überzeugt. Der Schwarzmarkt blüht ungehindert, daran wird kein Gesetz je etwas ändern. Die Handelszentren befinden in den Emiraten, in Dubai, auch Abu Dhabi, wohin sie aus Afghanistan, dem Irak und Iran, dem Jemen oder Pakistan geschmuggelt werden, teilweise über Israel und manchmal auch über die Türkei. (Olga Kronsteiner, 30.6.2018)