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Mit Importzöllen ist die EU nicht zu spalten.

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Es ist ein kurzes Schreiben, mit einer leicht einzuprägenden Zahl. Wenn die USA ihre Drohung umsetzen und die europäische Automobilindustrie mit Strafzöllen belegen, werde die Union erbitterten Widerstand leisten. US-Waren im Wert von bis zu 300 Milliarden Dollar könnte die Union ins Visier nehmen und selbst mit Zöllen belegen.

Diese eindeutige Botschaft überbrachte die EU-Kommission der Regierung in Washington in einem Schreiben. Offiziell publiziert wurde der Brief erst am Montag, doch die Zahl fand ihren Weg an die Öffentlichkeit. Regionale wie überregionale US-Medien übernahmen die 300-Milliarden-Drohung in ihren Schlagzeilen.

Zwischen der EU und den USA eskaliert seit Monaten ein Handelskonflikt. Nachdem US-Präsident Donald Trump zunächst im Jänner Waschmaschinen und Solarpaneele mit Einfuhrzöllen belegt hatte, folgten Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte. Vor kurzem begann Trump, den europäischen Autobauern zu drohen – via Twitter.

Weniger polternd, aber ebenso entschlossen, wie Handelsökonomen attestieren, hat die EU diese Provokationen jedes Mal beantwortet. Zum Schutz der Autobauer werden aktuell Maßnahmen vorbereitet. Als Antwort auf die Stahlzölle haben die Europäer Harley-Davidson, Whiskey und andere Produkte aus den USA mit Zöllen belegt. In der Zwischenzeit haben die 28 EU-Mitgliedsländer Washington gemeinsam angeboten, ein beschränktes Handelsabkommen zu verhandeln. Im Gegenzug dazu verlangten sie ein Ende der protektionistischen Maßnahmen. Trump lehnte ab, aber die EU demonstrierte Einigkeit.

Nord gegen Süd, Ost gegen West

Auf den ersten Blick ist das verwunderlich. Die EU zeigt sich derzeit so zerstritten wie schon lange nicht mehr. In Migrationsfragen tobt ein Konflikt zwischen allen betroffenen Mitgliedstaaten. Gespalten ist die Union auch in Nord und Süd: Während Italiener und Franzosen in der Eurozone Risiken und Kosten schneller vergemeinschaften wollen, stehen Länder wie Österreich und Deutschland auf der Bremse. Dazu kommt ein Konflikt zwischen Ost und West: Derzeit wird über den neuen EU-Finanzrahmen verhandelt. Im neuen System droht Osteuropa Milliarden zu verlieren.

Im Windschatten all dieser Konflikte fällt kaum auf, dass die EU im Handelskonflikt mit einer Stimme spricht. Die EU-Regierungschefs waren sich bei ihrem Treffen vergangene Woche in Brüssel bei kaum einem Thema so einig wie beim Handel. So einigte man sich darauf, dass man alle US-Maßnahmen, "die eindeutig protektionistischer Art sind", wie schon bisher nicht unbeantwortet lassen wird. Wie kommt es, dass Europa in der Handelspolitik schafft, was ihr aktuell ansonsten kaum gelingt?

Jeder fürchtet, der Nächste zu sein

Viele hatten erwartet, dass die EU in den Streit mit Trump rasch in den internen Streitmodus übergeht. Die Betroffenheit von den US-Maßnahmen ist von Land zu Land in Europa sehr unterschiedlich. Die USA hatten mit der EU im vergangenen Jahr ein Handelsdefizit von 150 Milliarden US-Dollar. Der Löwenanteil davon, 64 Milliarden, entfällt auf Deutschland. Vor allem die Bundesrepublik exportiert also mehr Pkws, Maschinen und Chemieprodukte nach Amerika, als es umgekehrt von dort einführt. Die Hälfte der Autoausfuhren in die USA kommen aus Deutschland. Vor allem die Bundesrepublik ist im Streit betroffen.

Aus Sicht anderer Länder, etwa Frankreichs, spielt der transatlantische Handel hingegen eine geringere Rolle. Mehrere Faktoren sorgen laut Ökonomen dennoch dafür, dass die EU-Länder zusammenhalten.

Unsicherheit einigt EU

Handelspolitik ist Sache der EU. Zuständig sind die Kommission und die Fachminister im Rat. Nationale Parlamente spielen keine Rolle. Interessenunterschiede werden dadurch in der Debatte nicht sichtbar, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Münchner Ifo-Institut, "außerdem ist gerade die hohe Unsicherheit, die Trump kultiviert, für die Einigkeit der EU nützlich".

Wenn man wüsste, dass Trump nach den Autozöllen zufrieden ist, würde Frankreich vielleicht anders agieren, als man es heute tut, und die Reihen mit Deutschland nicht schließen. Aber alle fürchten, dass Trump neue Güter aus Europa ins Visier nehmen könnte. Bei Lebensmitteln, Kosmetik oder Pharmaprodukten ist Frankreich im Export stark. Verhängt Trump Zölle auf diese Produkte, brauchen die Franzosen die deutsche Unterstützung. Frankreich hat aktuell also großes Interesse, Deutschland beizustehen, weil man selbst nicht weiß, was kommt. Das gelte auch für Spanier, Schweden, Italiener und alle anderen.

"Mit Trump gibt es zudem einen klaren äußeren Feind. Das macht es einfacher, gemeinsam vorzugehen", sagt der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. (András Szigetvari, 4.7.2018)